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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Unentwegt wurde angetrieben, sei es mit der Verleihung von Aktivistennadeln oder eben mit „Vorbildern“ wie Huckauf und Hennecke. Auch „Held der Arbeit“ konnte einer werden. So mancher, ehe er sich’s versah, weil wieder mal welche gebraucht wurden. Ablehnen durfte man eine solche Heldenrolle nicht, es sei denn, man wollte tatsächlich einer werden. Doch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wuchs und das merkte man auch in der Gaststube bei Richard.
    „Noch so einen Remy für alle“, sagte der Zimmermann von der Stalinallee.
    „Du kannst dir’s ja leisten“, meinte der Markscheider mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
    „He, he, keine Angst“, rief der Zimmermann, während Richard den Remy einschenkte. „Millionär werde ich schon nicht bei fünfhundert Mark im Monat.“
    „So viel verdient ja nicht mal unser Ingenieur hier“, sagte der Ziegeleiarbeiter und schlug dabei dem Ingenieur neben sich auf die Schulter.
    „Nee“, bestätigte der, „das habe ich längst nicht.“
    „Aber wir müssen dafür auch ganz schön malochen, Akkordarbeit, Knochenarbeit, natürlich nur, wenn genügend Material da ist“, rechtfertigte sich der Zimmermann. „Immer öfter müssen wir nämlich drauf warten, sitzen dort bloß rum und das geht auf unsere Kosten.“
    „Aber das ist doch nicht eure Schuld“, warf Sebastian ein.
    Der Zimmermann lachte. „Sag das mal den Bonzen da oben. Und wenn du öfter mobst und dich beschwerst, fliegste ganz schnell raus. Und wenn du dann immer noch meckerst, sitzte vielleicht bald hinter Schwedischen Gardinen. Ist schon mehr als einmal vorgekommen, kann ich dir sagen. Du untergräbst die Arbeitsmoral, heißt es. Das ist Sabotage, mein Lieber“, wandte er sich an Sebastian. „Damit arbeitest du dem Klassenfeind in die Hände, sagen die, unterstützt den kriegslüsternen Imperialismus, sagen die. Warnungen, mein Lieber, alles Warnungen!“ Der Zimmermann hob dazu den Zeigefinger steil in die Luft und blickte alle Anwesenden in der Runde an. „Prost!“ rief er schließlich, „Nasdrowje!“ Dazu grinste er.
    „Paßt nicht ganz zum französischen Remy“, erklärte der Markscheider und hob das Glas.
    „Na gut, dann eben nur Prosit!“
    „Französisch kann ich auch ganz gut“, sagte der Ziegeleiarbeiter, stellte das geleerte Glas auf den Tisch und kicherte.
    „Dir fallen wohl immer nur Schlüpfrigkeiten ein“, und der Wirt schüttelte dazu den Kopf.
    „Eddy hat da nun mal ‘nen Knall“, sagte der Zimmermann und sah den Genannten teilnehmend an. „Solche Flausen“, setzte er grinsend hinzu, „die würden ihm in Berlin bald vergehen.“
    „Na, ich schlafe auch nicht gerade auf Arbeit.“
    „Sag’ ich ja nicht.“
    „Wir arbeiten schließlich alle.“
    „Was machst du denn da in Berlin?“ wollte der Markscheider wissen.
    „Na, was schon, Zimmerarbeiten. Wir bauen Verschalungen für Eisenbetonfundamente. Das geht sogar noch, die Maurer haben’s schwerer und erst die Hucker im Akkord, vier, sechs Stockwerke über die Leitern hoch. Und dann schicken die immer noch mal wieder so Heinis, denen alles paßgerecht zugereicht wird, regelrecht in den Arsch geblasen. Die machen dann diese Hennecke-Kacke, dreihundert Prozent! Sollten die uns mal die Hälfte wegnehmen, dann komme ich nach Großräschen zurück in die Ziegelei“, wandte der Zimmerer von der Stalinallee sich an Eddy, den Ziegeleiarbeiter und grinste dazu.
    „Wir brauchen keine Leute“, sagte der.
    „Wie kommst du denn auf wegnehmen?“ wollte der Ingenieur wissen.
    „Man hört sowas munkeln von Normerhöhung. Dazu passen auch die Hennecke-Affen, die gehäuft auftreten. Damit will man uns nämlich zeigen, daß wir sehr viel mehr malochen könnten.“
    „Immer mehr Maloche, immer weniger Geld und nichts gibt’s zu kaufen“, schimpfte Eddy. „Nur die Bonzen leben wie die Maden im Speck.“ Dazu schlug er mit der Faust auf den Tisch. „Eine Lage Bier“, rief er, „was Besseres kann ich mir nicht leisten.“
    „Wir haben gar nichts gegen Bier“, bestätigte der Markscheider.
    „Gerupft wird stets der kleine Mann, wann und wo auch immer“, erklärte der Ingenieur. „Das war früher so, ist heute absolut nicht anders und wird auch morgen so sein. Die Masse bringt’s nun mal und dazu zählen wir alle hier“, sagte er mit einer umfassenden Handbewegung.
    Der Wirt zapfte unterdessen das bestellte Bier. Über der Theke brannten nur zwei Lampen und beleuchteten gerade noch die beiden vorderen Tische. Der

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