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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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nicht. Es hat schon seine Gründe. Ich kann das jetzt hier nicht erklären.“
    Nach weiterem Hin und Her bei der zweiten Flasche Wein ließ Sebastian sich breitschlagen: Konfirmation nein, aber Treffen mit dem Kreisjugendpfarrer ja.
    Hans-Peter schwieg dazu. Als Katholik, dessen Kommunion schon einige Jahre zurücklag, war er zu den Problemen auch nicht gefragt. Sebastian mußte selbst wissen, ob er sich für die Kirche oder auch für Pfarrer Kunzmann aus dem Fenster lehnen wollte, sagte er sich. Besonders auffallen sollte er besser nicht, sein Freund Sebastian mit seinem Faible für Alleingänge, dachte er. Andererseits, sagte er sich, kann man sich kaum vorstellen, daß Sebastian und er selbst derart interessant für die Stasi sein könnten, daß man ausgerechnet sie permanent beobachten würde. Kirche, Kunzmann oder Junge Gemeinde, was ist daran schon wichtig?
    Aus seinen Überlegungen gerissen wurde Hans-Peter durch ein auf- und abschwellendes Geheul seines Freundes, mit dem dieser gerade den Panzeralarm nachahmte, ein dreimaliges Auf- und Abschwellen der Luftschutzsirenen als die Russen kamen. Sebastian erzählte dem Pfarrer eben von der Flucht seiner Familie dicht vor den Russen her – Richtung Westen, von Tieffliegerangriffen sprach er und davon, daß sie zumeist nachts mit Fahrrädern unterwegs waren mit all seinen kleinen Geschwistern. Man war inzwischen bei der vierten Flasche Wein angelangt.
    Auch Pfarrer Kunzmann war in Fahrt geraten, als er vom Krieg erzählte, den er als Gefreiter an der Ostfront überlebt hatte. Er erzählte von Russen, die zu Pferd angriffen, augenscheinlich Kosaken, die mit gezogenen Säbeln aus einem Waldstück hervorbrachen gegen gestaffelte deutsche Linien, Reiter, die in konzentriertes Feuer hineinritten, Maschinengewehre, Acht-acht-Pak und Vierlingsflak. Erst eine Welle und als die verblutete eine zweite, die auch nicht weiter kam. „Es war schrecklich“, sagte der Pfarrer, „fürchterlich auch das Schreien der schwer verletzten Pferde, die auf dem Feld umherirrten, denen teilweise das Gedärm aus dem Leibe bis auf den Boden schleifte. Was haben denn Tiere, Pferde, mit den Irrsinnskriegen der Menschen zu schaffen?“ fragte er.
    Sebastian nickte grimmig. „Sauerei“, sagte er, „eine höllische Sauerei.“
    Auch Hans-Peter stimmte dem zu: „Was sollen denn Reiter mit Säbeln gegen Maschinengewehre ausrichten? Ich glaube“, sagte er, „bei den Russen galt ein Mensch im Krieg noch viel weniger als bei uns.“
    „Kosaken waren immer aufmüpfig, um die tat es Stalin nicht leid“, sagte der Pfarrer. „Leichter konnte er sie nicht loswerden. Und die Deutschen kostete diese Hinrichtung nur wenige Granaten und ein paar Gurte Maschinengewehrmunition.“
    „Eklig“, sagte Sebastian und schüttelte sich.
    „Noch ekliger, viel ekliger“, sagte Pfarrer Kunzmann, sei der Sturmangriff russischer Flintenweiber gewesen, die mit Urräh-Gekreisch gegen die deutschen Gräben anliefen. „Die Landser“, sagte er, „fühlten sich in ihrer Ehre gekränkt. Sowas gab’s nämlich durchaus, Landserehre, Soldatenehre, Männerehre, was immer man heute davon hält. Ein Befehl lief den Graben entlang, herankommen lassen und Feldspaten bereithalten.“ Pfarrer Kunzmann kniete auf der Couch, einen unsichtbaren Spaten fest umklammert. „Verbitterung und Wut“, sagte er, „steigerten sich mit jedem Meter, den die Urräh schreienden Weiber näherrückten. Nun waren das keine Frauen mehr, die sich dort näherten, es waren Haßobjekte. Die im Graben wartenden Landser zitterten vor Wut und Abscheu. Was dort anrückte, waren nicht Menschen, schon gar nicht Frauen und galt nicht mehr als Insekten, nicht mehr als ein Heuschreckenschwarm. Dann brach es über den Graben herein, in die nun losgelassene Wut.“ Pfarrer Kunzmann schlug, gekrümmt auf der Couch kniend, mit dem unsichtbaren Spaten um sich, die Augen sprühten. „So, jetzt“, rief er, „so … so … so …“ Hieb auf Hieb. Er spaltete Schädel, schlug Köpfe vom Rumpf. Er kniete und schlug: „Ja … so, so, ja! Jetzt! Und so und so …“ Hieb auf Hieb. Man hätte fast Angst kriegen können. Da kniete jemand in Berserkerwut und schlug um sich, tödlich um sich. Bis er plötzlich zu sich kam und aufsah, die beiden Freunde ansah.
    „Ja, so war das“, sagte er keuchend, „so war das dort am Wolchow damals. Es war regnerisch, kalt, ein dämmergrauer Tag und der Graben schließlich ein Gemisch aus Regenschlamm und Blut und voller

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