Als der Tag begann
geartete Highschoolerfahrung verfügst, stimmt’s?«
»Ich habe einen Punkt«, sagte ich. Aus seinem Mund klang siebzehn so alt. Von den Jugendlichen, die vor mir dran gewesen war, war wahrscheinlich keiner älter als fünfzehn.
»Also, ich bewundere deine Anstrengungen, heute hierherzukommen. Ich möchte dir nur sagen, dass dies eventuell der richtige Ort für dich ist. Aber das hängt auch davon ab, was du dir erwartest. Vier Jahre Highschool sind lang für eine Siebzehnjährige. Es wäre nachlässig von mir, dich nicht darüber zu informieren, dass es ein hervorragendes sechsmonatiges allgemeines GED-Programm gibt, um den Highschool-Gleichwertigkeitsabschluss auf dem zweiten Bildungsweg zu bekommen. Der Kurs findet abends genau gegenüber von diesem Gebäude statt … Bevor wir uns weiter unterhalten, möchte ich dich nur auf deine Möglichkeiten hinweisen. «
Möglichkeiten. Er hatte den wunden Punkt getroffen. Wie oft hatte ich Ma zugesehen, wie sie sich vor Brick erniedrigte, seine Forderungen erfüllte, seine grobe Handhabe, sein Gebrüll, wie sie in der Not die Beine für ihn breit gemacht hatte – alles, weil ihr nichts anderes übrig blieb. Daddy mit seinem scharfen Verstand und seiner reichen Lebenserfahrung, seiner Bildung, lebte im Heim, ohne weitere Möglichkeiten.
»Ich bin ein Exknacki, wer würde mich schon einstellen?«, hatte er oft gesagt. »Meine Möglichkeiten sind begrenzt.« Im Motel musste ich mich mit dem Essen begnügen, das Carlos im Müll zurückgelassen hatte, keine weiteren Möglichkeiten. Ich hatte mitgekriegt,
dass das GED-Programm für viele eine gute Sache war. Aber nach all dem, was Ma und Daddy durchgemacht hatten, sagte mir mein Bauchgefühl, dass ein Highschoolabschluss für mich gleichbedeutend mit mehr Möglichkeiten war.
»Ich sehe, worauf Sie hinauswollen, Perry, und ich weiß Ihre Hilfe wirklich zu schätzen … aber ich will einen Highschoolabschluss. Ich muss das einfach tun.«
Und in dem Moment, als ich es laut aussprach, wurde es wahr. Laut zu sagen, was ich wollte, war etwas ganz anderes, als nur daran zu denken. So machte ich mir die Idee zu eigen, das spürte ich genau. Mir zitterten die Hände. Perry sah mich immer noch durchdringend an. Ich versuchte zu erraten, was er von dem, was ich gesagt hatte, hielt, in welchem Licht er mich sah: Sie hat versagt. Sie ist dreckig. Eine Niete . Oder aber er suchte nach Worten, um mir sein »Nein« möglichst höflich beizubringen. Denn mit dieser Krawatte, dieser Brille und diesen polierten Schuhen sah er wie ein höflicher Mensch aus. Wahrscheinlich war er in Westchester aufgewachsen, dachte ich. Wahrscheinlich musste er Leute wie mich andauernd ablehnen, genau wie die anderen.
»Liz«, begann er und setzte sich aufrecht hin. Mein Herz klopfte wie wild. Jetzt kommt’s , dachte ich. Seine Stimme wurde leiser und sein Gesichtsausdruck vollkommen ernst. »Meinst du, du schaffst es, pünktlich zu sein?«
Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, und mir traten Tränen in die Augen. »Ganz bestimmt«, antwortete ich. »Ja, das schaffe ich.«
Der einzige Haken an der Sache war, dass ich einen Erziehungsberechtigten beibringen musste, der mich offiziell in der Schule einschrieb, und zwar so schnell wie möglich.
Daddy und ich trafen uns Ende der Woche Ecke 19th Street und 7th Avenue. Bis dahin hatte ich mir einen Plan zurechtgelegt. Ich würde mich an der Schule einschreiben, den ganzen Sommer über arbeiten, Geld zusammensparen und auf die Prep gehen,
während ich von meinen Ersparnissen lebte. Das kam mir solide vor. Aber das Ganze hing von Daddys Hilfe ab – ich brauchte ihn, um die Einschreibung hinter mich zu bringen. Ab da kam ich gut allein klar.
Als ich an diesem schwülen Donnerstagmorgen zu unserem Treffen eintrudelte, traf ich Daddy an einen Laternenpfosten gelehnt und in ein Buch vertieft an. Ich ließ mir Zeit, um mich auf die Situation einzustellen, und nahm ein paar tiefe, entspannende Atemzüge, bevor ich zu ihm hinging. Das Letzte, was ich wollte, war, dass Daddy mich gerührt sah; keiner von uns beiden wusste, wie er mit den Gefühlen des anderen umgehen sollte. Wahrscheinlich hatten wir deshalb die stille Übereinkunft getroffen, so zu tun, als hätten wir keine. Aber sein Anblick löste schlichtweg Gefühle in mir aus. Seit Monaten war ich so daran gewöhnt, ständig fremde Menschen zu sehen und endlos an neue Plätze umzuziehen, dass mir die Vertrautheit von Daddys Gesicht, das aus der
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