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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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gar nicht richtig verstand. Ma merkte nie etwas davon und erzählte einfach weiter, ganz in ihre Geschichten versunken.
    Der lustige Teil in diesen Nächten ging los, wenn ihre Vergangenheit Ma plötzlich als etwas Tolles vorkam, als eine Art Abenteuer. Aber ich wusste, dass das nur von kurzer Dauer war, ein Nebeneffekt ihrer Erwartung auf einen Schuss. Später – am anderen Ende ihres Höhenflugs, wenn die Wirkung der Drogen nachließ – deprimierten sie dieselben Gedanken nur noch. Für den enttäuschenden Sinkflug war ich auch zur Stelle. Wenn nicht ich ihr zuhörte, wenn sie das Bedürfnis hatte, sich jemandem anzuvertrauen, wer dann? Aber zuerst gab es ja immer dieses kurze, wunderbare Zeitfenster während des Wartens. Ich hielt regelmäßig aus dem Fenster nach Daddy Ausschau, während Ma ihre Geschichten erzählte und dabei selten glücklich wirkte.

    »Mann, ich stolperte damals andauernd! Aber hallo, LSD kann dich ganz schön durcheinanderbringen, Lizzy. Besonders auf einem Konzert. Du nimmst niemals LSD, klar? Da denkt man dann lauter Sachen, die’s gar nicht gibt, gute und schlechte. Das ist total irre.«
    Bevor Daddys laute Schritte im Treppenhaus widerhallten, legte Ma zum Abmessen des Pulvers schon Löffel bereit, in die sie dann später genau eine Spritze voll warmem Wasser geben würde, um es aufzulösen. Gebrauchte Suppenbecher enthielten das Wasser. Sie stellte sie neben die Schnürsenkel, die dazu dienten, die Venen abzubinden. Sie verwendeten immer getrennte Spritzen für ihren Schuss. Unsere Gespräche gingen weiter, während sie jedes einzelne Utensil überprüfte und ins Neonlicht hielt, bevor sie es wieder auf der schwarzen Tischoberfläche aus Formica ablegte. Mein Zuschauen bei den Vorbereitungen zu ihren »Arbeiten« in der Küche gehörte zum Programm.
    »Jawohl, die ganze Zeit habe ich Angebote für Modeljobs bekommen. Die meisten Agenten wollten aber nur Sex. Nimm dich vor solchen Typen in Acht, die sind überall. ’ne Sekunde mal« – und schon unterbrach sie sich, um Wasser aus einer Spitze zu drücken, als Test. »Also, ich sag’s dir, Männer können richtige Arschlöcher sein, aber irgendwie hatte ich damals auch jede Menge Spaß.« Ich hörte ihr zu und inspizierte dabei die getrockneten Blutspritzer an der Wand hinter ihr, die sich jedes Mal verteilten, wenn sie ihre Venen nicht fand. Wäre da nicht das Fehlen von jeglichen Desinfizierungsmaßnahmen, würde das Ritual dem einer Krankenschwester ähneln, die dabei war, das Werkzeug für eine kleine Operation auszubreiten. Schon bald würde Daddy mit dem kleinen Folienbriefchen zurückkommen – dem Heilmittel für ihr Leiden.
    Eine Nacht glich der nächsten. Ma und Daddy spritzten sich Kokain und kamen und gingen, wie ein eingespieltes Team, und ich blieb währenddessen in ihrer Nähe und verbrachte die Nacht mit ihnen. Während Lisa längst in ihrem Bett schlief, hatte ich sie ganz
für mich; durch meine Unterstützung waren sie in Sicherheit. Und selbst wenn sie sich zugedröhnt hatten, waren sie immer noch genau hier, in meiner Nähe.
    Mas und Daddys Reaktion auf das Pulver war immer dieselbe: große Augen, als ob sie einen immerwährenden Schock erlitten hätten, dazu ein leichtes, unwillkürliches Zucken im Gesicht wie bei Stromschlägen. Ma wurde von einem reflexartigen Drang gepackt, mit ineinanderverknoteten Fingern im Kreis herumzulaufen und dabei gegen die Decke zu reden. In diesem Stadium ihres Rausches konnte ich nie Blickkontakt herstellen.
    Ungefähr zwanzig Minuten später, wenn sie langsam aus dem angenehmen Teil ihrer Sucht abrutschte, kehrte die zerrüttete Version ihrer selbst zurück. Das Umschalten beim Erzählen spiegelte den Wechsel wider.
    »Er hatte es versprochen – Pop schwor , uns dort wegzubringen. Er wollte mit uns nach Paris fahren, Lizzy. Weißt du, ich war seine Lieblingstochter, ich wusste das, und Lori wusste es auch. Jeder wusste es. Sein Liebling. Stell dir vor, er brach mir das Schlüsselbein, als ich noch ein Baby war! Er hat versucht, mich aus dem Fenster zu werfen!«, schrie sie, die Augen an die Decke des Wohnzimmers geheftet. Mas Kummer über ihre Vergangenheit brach mir das Herz. Ich wünschte von Herzen, ich könnte alles vergessen machen, was ihre Eltern ihr angetan hatten. Mehr als alles andere wollte ich ihr ihr Leid abnehmen.
    Hinter ihr zappelte und zuckte Daddy inmitten seiner Arbeitsutensilien herum, säuberte sie ein ums andere Mal in Superzeitlupe – mit vom Drogenrausch

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