Als der Tag begann
neuer war und viel sauberer als unserer.
Lisa hatte aufmerksam den Bildschirm fixiert. Dann, als uns der Erzähler einlud, in den Genuss einer unverbindlichen Präsentation bei uns zu Hause zu kommen, zwei Gratisbände inbegriffen – ich erinnerte mich jetzt mit einem gewissen Maß an aufkommender Hilflosigkeit daran –, hatte Lisa sich einen Stift geschnappt und die Nummer irgendwohin gekritzelt. Es kam mir nie in den Sinn, dass sie da tatsächlich anrufen würde.
»Dies hier sind unsere Broschüren.« Matt zog hochglänzende Werbematerialien aus seiner Aktentasche. »Sie können sie sich alle mal ansehen.«
Er fuhr sich andauernd durch sein gepflegtes, gegeltes Haar und leckte sich vor jedem neuen Satz die Lippen.
»Möchten Sie ein Glas Wasser?«, fragte ich ihn. Ich wollte ihm unbedingt klarmachen, dass wenigstens ich ganz normal war.
»Nein, nein, danke«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen, ohne mich dabei überhaupt anzusehen. Ich fühlte, wie ich rot wurde. »Das ist für Sie alle«, sagte er, als er an jeden von uns, gegen den Uhrzeigersinn, eine Broschüre verteilte. Bevor sie an der Reihe war, riss Ma Lisas Exemplar aus seiner Hand. Der Mann zuckte nur ein bisschen zurück und setzte dann schnell die Verteilung fort, wobei er sich weit vorbeugte, um Ma zu übergehen und Lisa zu erreichen. Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann.
Er schwitzte auch, ganz offensichtlich. An der Art, wie er sich vor fast jedem Wort räusperte, erkannte ich auch, dass ihn der widerliche
Gestank aus der Badewanne zum Würgen brachte. Lisa holte ihre Brille hervor, um sich die Broschüre anzusehen. Falls es ihr peinlich war, bemerkte ich jedenfalls nichts davon.
»Die Vorteile, Ihre eigene Ausgabe der, ähem, ä- hem , Encyclopedia Britannica zu besitzen, sind, ä- hem , wirklich unermesslich. In Sachen Bildung …«
Daddy hielt die Broschüre fest umklammert in seinen Fäusten, die Knöchel schon weiß hervortretend, und unterbrach ihn alle paar Sekunden mit einem »Ja, klar, okay, okay«, als wolle er ihn zu mehr Tempo antreiben.
Während seines Vortrags sirrten ein paar Fliegen aus dem Müll am Gesicht des Mannes vorbei. Er tat so, als würde er eine Broschüre öffnen, und schlug unauffällig mit dem Papier nach ihnen. Ich dachte, ich würde sterben, als Ma das Wort ergriff.
»Sie glauben, Sie können hier einfach so aufkreuzen und damit durchkommen?« Sie grinste ihn höhnisch an.
»Wie-ie bitte, Ma’am?«, stammelte er.
»Nichts«, warf ich schnell dazwischen, »nichts, bitte kommen Sie zum Ende. Ich meine, machen Sie weiter, bitte.«
Mas Augen waren viel zu groß, um normal zu wirken, und sie schüttelte über irgendetwas, das für niemanden außer sie selbst ersichtlich war, den Kopf.
»Ma!« Lisa blickte von ihrer Lektüre auf. »Ich habe Matt gebeten zu kommen, deshalb ist er hier.«
Ma starrte ihn weiter an, ohne eine Miene zu verziehen.
Trotz Mas geistiger Verfassung redete Lisa immer so mit ihr, als sei alles völlig normal. Standen dann Mas Reaktionen im Widerspruch zu irgendwelchen von Lisa erwarteten logischen Schlüssen, wurde sie wütend. Ich fand das Muster so frustrierend wie irrational. Nicht nur Ma war offensichtlich geistesgestört, sondern es schien so, als sei auch Lisa realitätsfern. Und zwar in einem Maße, dass mir ihr Verhalten manchmal das Gefühl vermittelte, ich hätte keine ältere, sondern eine jüngere Schwester.
»Wie viel kostet das Ganze?«, fuhr Lisa fort. Sie sah zu dem
Mann auf, der nervös unter Mas unerbittlichem stieren Blick hin-und herrutschte.
»Also, glücklicherweise bietet Britannica eine Vielzahl von Zahlungsmodalitäten …«
Mit verschränkten Armen und einem selbstgefälligen Grinsen ging Daddy wieder dazwischen. »Na, dann sagen Sie mir mal, Sir, handelt es sich dabei um genau die gleiche Ausgabe wie die aus der Leihbibliothek die Straße runter?« Daddy hatte eine Art an sich, Leute anzugehen, als würden sie gerade versuchen, ihn reinzulegen, was er ihnen aber nicht durchgehen ließ.
»Ja, äh, also der Luxus, Ihre ganz persönliche Ausgabe zu besitzen, ist, ähem, wirklich nicht zu unterschätzen. Um Ihre Frage zu beantworten, Ma’am«, wandte er sich an Lisa, »es gibt verschiedene Zahlungsmodalitäten, ähem, Angebote, die es nahezu jedem ermöglichen …«
Ohne an Matt zu denken, bohrte Ma mit dem Zeigefinger in der Nase. Er tat so, als würde er es nicht bemerken, verriet sich aber durch ein missbilligendes Stirnrunzeln, als sie den
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