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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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gereinigten Anzug, fraglos ein Sozialarbeiter, der
den Auftrag hatte, über unsere fragwürdigen Lebensbedingungen Bericht zu erstatten.
    Unfähig, das große Chaos auf die Schnelle zu beseitigen, beeilte ich mich, einen Küchenstuhl für ihn frei zu räumen, und wischte die Sitzfläche mit einem Handtuch ab, damit er sich wenigstens irgendwo hinsetzen konnte. Genau in diesem Moment tauchte Lisa aus ihrem Zimmer auf und schockierte mich, indem sie ihn mit Namen begrüßte.
    »Matt, stimmt’s?«, fragte sie unbefangen. Hatte Lisa das Jugendamt für uns kommen lassen?
    »Und du bist Lisa?«, fragte er, wobei seine Stimme überrascht klang.
    »Genau«, antwortete sie. »Wir können auch ins Wohnzimmer gehen, der Couchtisch sollte uns reichen.«
    Verwirrt raste ich los, mir ein langärmeliges Hemd überzuziehen, damit ich ein bisschen dicker aussah, eine Taktik, die ich anwendete, seit einmal ein Sozialarbeiter Kommentare über mein geringes Gewicht gemacht und angedroht hatte, uns abholen zu lassen, wenn ich keine sichtbaren Fortschritte vorweisen würde. Lisa saß auf dem Sofa, mitten auf Mas Jeans, und strich sich ihre langen Haare hinter die Ohren. Ma gesellte sich dazu. Ich saß in der Nähe des Sozialarbeiters auf einem herbeigeholten Küchenstuhl, von dem aus ich meiner Meinung nach die ganze Sache am besten überwachen konnte. Die Haustür schlug zu, Daddy kehrte vom Einkaufen zurück. Mein Magen verkrampfte sich zu einem Knoten.
    Daddy kam pfeifend ins Wohnzimmer und blieb beim Anblick des Fremden, der gerade auf dem Boden nach einem sauberen Fleck Ausschau hielt, um seine Aktentasche abzustellen, wie angewurzelt stehen. Ich betete darum, er möge die Kakerlake neben seinem Schuh übersehen.
    »Oh, hi«, sagte Daddy, dessen Laune erheblich gesunken war, kurz angebunden mit gewollt unfreundlich klingender Stimme.
    »Guten Tag, Sir, mein Name ist Matt«, antwortete der Mann
und streckte Daddy die Hand hin. Sein Auftreten war viel zu höflich, unautoritär, fand ich, irgendwas schien hier nicht zu stimmen. An Daddys Blick, als die beiden sich die Hand schüttelten, erkannte ich, dass es ihm auch aufgefallen war. Ich hörte damit auf, ein paar Teller auf dem Tisch herumzuschieben, um Platz zu machen, denn der Mann hatte seine Aktentasche bereits auf seinem Schoß abgestellt.
    Als ich kurz zu Ma hinübersah, die offensichtlich für eine bequemere Sitzhaltung ihre Beine breit auseinanderfallen ließ, wurde mir richtig mulmig. Daddy warf mir einen warnenden Blick zu und platzierte einen Stuhl direkt mir gegenüber. Die letzte Lücke um den Couchtisch herum war geschlossen. Mir wurde bewusst, dass das seit einer ganzen Weile das erste Mal war, dass wir alle vereint zusammensaßen. Im Raum war es still. Wir starrten Matt abwartend an.
    »Nun ja«, setzte er an, wobei sein Blick einmal durchs ganze Zimmer wanderte, über die verdreckten, halb kaputten Jalousien, die aufgeplatzten Müllbeutel, aus denen sich alles über den Boden verteilte und Dutzende Kakerlaken hinein- und hinausquollen. Er nestelte an seinem Hemdkragen herum und räusperte sich.
    »Ich … ich wurde gebeten, heute hier vorbeizukommen, um mit Ihnen gemeinsam einige interessante Angebote – ähem – der Encyclopedia Britannica durchzugehen.«
    Die ganze Anspannung verließ meinen Körper, aber nur für einen Moment. Bevor ich über die Erkenntnis, dass dieser Mann kein Sozialarbeiter war, überhaupt erleichtert sein konnte, sah ich zu Daddy und verkrampfte mich sofort wieder.
    »Entschuldigung« , sagte Daddy mit hochgezogenen Augenbrauen und beugte sich viel zu weit zu dem Mann vor, » woher , sagten Sie gerade, kommen Sie?« Daddy verschränkte die Arme vor der Brust, das Kinn gesenkt, die Augen voller Argwohn.
    Ich dachte an einen Zeitpunkt vor drei Wochen. Es war spätnachts, und Lisa und ich hatten uns eine Wiederholung von The Honeymooners angesehen, als eine Werbung für die Encyclopedia
Britannica über den Bildschirm lief. Ein Mädchen und ein Junge mühten sich mit ihren Hausaufgaben ab und baten immer wieder ihre Eltern, zwei ordentlich gekleidete berufstätige Menschen, um Hilfe. »Schlagt es nach«, war alles, was die Eltern auf jede Frage ihrer Kinder antworteten. Die Kinder schlugen es nach, mit der vertrauenswürdigen Unterstützung der Encyclopedia Britannica . Und als sie lauter Einsen für ihre Prüfungen erhielten, versammelte sich die Familie zu einer Feier im Wohnzimmer, vor einem prasselnden Kaminfeuer und einem Couchtisch, der

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