Als der Tag begann
ihr die ganze Mühe wert war.
Die Frau blickte wieder stur auf die Kasse. Chips, Dips, Puddings, diverse Fleischpackungen und Zweiliterflaschen Pepsi rollten ans Ende der Kasse und rumpelten gegen die Warentrennwand. Ich arbeitete schnell und vermied Augenkontakt, ungeachtet aller Hoffnung auf Trinkgeld.
Fleisch zu Fleisch, Müsli passt zu Brot, Milchpackungen kriegen ihre eigene Tüte.
Ich war mit allem fertig, als die Kassiererin die Gutscheine der Frau durchging. Beim Anblick der gepackten Tüten verspürte ich wieder einen Anflug von Stolz. Jede von ihnen war ordentlich zusammengestellt, das Gewicht gleichmäßig verteilt, die Sachen richtig sortiert. Ich stand abwartend da.
In diesem Moment sah ich eine gelbe Lunchables-Packung aus der mir am nächsten stehenden Tüte herausragen: rosarote Fleischwurst, eine Reihe Cracker und ein kleines Stück Käse hinter Plastik. Ich konnte mir die Konsistenz der Wurst und den milden Geschmack des Käses genau ausmalen.
Angesichts der Packung wurde mir erst bewusst, wie hungrig ich war. Ich starrte das Essen an und hatte plötzlich ein heftiges Verlangen danach. Mein Mund wässerte. Überall um mich herum war der Supermarkt dabei zu schließen. Eine Reihe Kassiererinnen machte bereits Kassensturz. Jemand zog das Gitter draußen vors Fenster, und mir wurde klar, dass ich keine Zeit mehr hatte, meine eigenen Lebensmittel wie erhofft zu ergattern.
Ich beugte mich hinunter und tat so, als würde ich meine Sneakers zubinden. Niemand sah her; die Kassiererin unterhielt sich mit einem Regalauffüller, während die Frau ihre Gutscheine sortierte. Ich ließ von meinen Schnürsenkeln ab und die Lunchables-Packung sehr schnell unter dem Metallregal der Kassenrückseite, wo ich ein paar Minuten vorher meine Trinkgeldschale entdeckt hatte, verschwinden. Ich richtete mich wieder auf, dümmlich und mit Herzklopfen jeden anlächelnd, auch wenn er nicht hersah.
»Los geht’s, Kinder«, rief die Frau, den Kassenzettel in der Hand. »Und wir werden nicht an den Spielautomaten anhalten, also fragt erst gar nicht!«
Ich übergab ihr immer zwei der schweren Einkaufstüten. Sie reichte sie an ihre Kinder weiter. Ich dachte, ich müsste sterben, als ich kapierte, dass sie mich meinte.
»Seht euch dieses Lächeln an!« Sie blickte liebevoll zu mir hinab.
Meine Schuldgefühle machten es mir schwer, sie direkt anzusehen. »Bitte sehr, mein Schatz, das ist für dich.«
Vorgebeugt drückte sie mir einen feuchten, lappigen Dollarschein in die Hand. Ich rang mir erneut ein Lächeln ab und sagte: »Danke, Ma’am.«
»So ein hübsches Lächeln«, wiederholte sie. »Und jetzt, Kinder, los!«
Sie verschwand durch die automatischen Türen, und ihre Kinder schwankten und brachen als ihr Gefolge unter dem Gewicht der Tüten fast zusammen. Das kleinste von allen watschelte wie ein Pinguin.
Ich steckte den Dollar ein und wartete einen Moment, um ganz sicher zu sein, dass sie weg waren, bevor ich die Lunchables-Packung in eine frische Plastiktüte steckte. Die anderen Einpacker hatten schon längst Schluss gemacht, nur die Kassiererinnen, die die Tagesumsätze durchgingen, waren noch da.
Unbehelligt nahm ich die Tüte in die Hand und ging hinaus. Ich ging schneller nach Hause als nötig und sah mich immer wieder um, bis ich die University Avenue erreicht hatte. Zwei Blocks von der Wohnung entfernt riss ich die Packung auf und stopfte mir Cracker, Fleischwurst und den kalten, köstlichen Käse in den Mund. Voller Scham und Verlangen verschlang ich das Essen in nur wenigen hastigen Bissen.
Das Telefon im Aufenthaltsraum der Psychiatrie im North Central Bronx Hospital klingelte durch, bis sich das Klingeln in ein entferntes Summen verwandelte. An meinem Ende der Telefonleitung zu Hause wurde der Hörer an meinem Ohr langsam heiß. Ich fand eine gewisse Ruhe im wiederholten Wählen der siebenstelligen Nummer auf unserem Telefon mit Wählscheibe, um dann einfach dem Klicken der zustande gekommenen Verbindung und dem gleichmäßigen, nicht endenden Geräusch des Klingeltons zu lauschen. Neben mir sah Daddy sich eine Folge von Jeopardy! an und schlug sich bei jeder seiner richtigen Antworten auf die Knie. Den Kopf auf die Tischplatte gebettet, ließ ich mich von dem Klingeln in einen leichten Schlaf lullen.
In meinem Traum forderte Ma, klein und unerreichbar, von einem entlegenen Ort aus meine Aufmerksamkeit ein. »Lizzy«, rief sie wieder und wieder mit schwacher Stimme, »bist du das, Lizzy?« Ich
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