Als der Tag begann
sich mit Kisten hoch auf ihren Schultern an ihnen vorbei. Ich hielt Ausschau nach dem Manager und seinem Assistenten, denn ich wusste von ihnen, dass sie auf Beobachtungsposten nach Ladendieben waren. Doch stattdessen blieb mein Blick zufällig an etwas anderem hängen – Kinder, nur ein paar Jahre älter als ich, die ganz vorn an den Kassen standen. Sie trugen keine Arbeitskleidung, sondern ihre eigenen Klamotten, und packten gegen Trinkgeld die Einkäufe in Tüten ein.
Ich zählte vier Tüteneinpacker und sah, dass alle vier ein paar Gemeinsamkeiten hatten. Da standen nur Jungs, entweder Latinos oder Schwarze, und alle hatten eine Schale neben sich, in die die Kunden Geld warfen, bevor sie das Geschäft verließen. Ich verspürte den Drang, eine der zwei freien Kassen gleich in Besitz zu nehmen, doch ich beschloss, dass es zunächst besser war, mich ganz vorn ans Brotregal zu stellen und zu beobachten, wie man die Arbeit richtig machte. Eier und Brot kamen einzeln in jeweils eine kleine Tüte; schwere Sachen verteilte man zu den mittelschweren; Lächeln und höfliche Worte sorgten für Trinkgeld. Ich atmete einmal tief durch. In einem Gefühlswirrwarr aus Aufregung und Angst näherte ich mich einer Kasse.
Die Kassiererinnen waren lauter junge spanische Frauen in engen Klamotten mit babyblauen Schürzen, und fast alle trugen die gleichen gegelten Frisuren. Die junge Frau an der Kasse, die ich aufsuchte, lächelte mich freundlich an. Wir wechselten kein Wort, aber ihr Verhalten sagte mir, dass ich willkommen war. Ich fummelte
eine Plastiktüte aus dem Tütenregal, und bevor ich irgendetwas denken oder tun konnte, fing sie an, Sachen hinüberzureichen, die dann die Kassentheke hinunter in meine Richtung rollten. Eine Kuchenschachtel und Aufschnitt rutschten heran; Suppendosen und eine Medizinflasche Pepto-Bismol folgten. Ein kräftiger, älterer Mann beobachtete durch dicke Brillengläser ohne unteren Rand, wie seine Einkäufe durch den Scanner gezogen wurden. Ich war froh, dass er mich beim Anfassen seiner Lebensmittel nicht zu bemerken schien.
Schachteln haben scharfe Kanten; sie brauchen zwei ineinander gestellte Einkaufstüten. Aufschnitt ist leicht, passt noch oben drauf und drückt nicht auf die Schachtel darunter, also kann man das gut zusammen einpacken. Immer nur zwei Konserven, sie gehören zusammen mit …
Irgendwie gelang es mir, fertig zu werden, bevor er bezahlt hatte, und darauf war ich stolz. Aber als ich dem Mann die ordentlich gepackten Tüten reichte und ihm dabei gerade in die Augen sah, nahm er lediglich den Kassenzettel von der Kassiererin entgegen und steuerte auf den Ausgang zu, ohne auch nur einmal zu mir herabzublicken. Ich verfolgte ihn mit den Augen, halb in Erwartung, er würde seinen Fehler bemerken und umdrehen. Aber er ging einfach weiter. Frustriert fiel mir ein, dass jeder Tüteneinpacker seine eigene, mit Kleingeld gefüllte Plastikschale neben sich stehen hatte.
Die Stimme eines Managers, an den Tresen gelehnt, der sein Büro vom Verkaufsraum abtrennte, ertönte: »Liebe Kunden, wir schließen in zehn Minuten. Vielen Dank für Ihren Einkauf bei uns. Gute Nacht!« In dem metallenen Regal auf der Kassenrückseite erblickte ich einen leeren Plastikbehälter. Ich fischte aus meiner Hosentasche etwas Kleingeld heraus und schmiss es schnell hinein, um den Anfang zu machen.
Eine korpulente Frau in einem hawaiischen Mu’umu’u-Kleid mit Blumenmuster legte mit ihren Kindern Lebensmittel aus drei vollen Einkaufswagen auf das Warentransportband. Beim Scannen dieser Riesenmenge an Einkäufen gewann man den Eindruck,
sie hätten den ganzen Tag im Supermarkt verbracht. Angesichts der Masse an auf mich zurollenden Packungen bekam ich Panik. Die Kinder legten die Sachen schneller aufs Band, als ich sie einpacken konnte. Ihre Mutter wedelte mit einem Stapel Gutscheinen in der Luft herum, wodurch die lappige Haut an ihrem Unterarm hin- und herschwabbelte.
»Ich habe hier Gutscheine, also lassen Sie sich nicht von mir erwischen, dass Sie zu viel berechnen.«
Die junge Frau blickte kaum vom Einlesen der Preise auf.
»Ganz genau«, betonte die Dame noch einmal, »ich hab Sie im Auge.«
Zwei ihrer Kinder begannen sich zu streiten. Die Frau drehte sich blitzschnell um, schlug dem Jungen auf den Hinterkopf und beendete damit den Streit im Nu. »Legt das verdammte Zeugs aufs Band und benehmt euch gefälligst!«
Ich spürte, wie sich alles in mir verkrampfte, und zweifelte, ob ein Trinkgeld von
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