Als der Tag begann
zwei Kopfkissenbezüge voller Anziehsachen in den Kofferraum hievte, die so voll gestopft waren, dass sie ihre Absicht, nicht zurückzukommen, sehr deutlich machten. Vor der Abfahrt kurbelte Ma noch das Taxifenster herunter.
»Ich warte auf dich, Schätzchen!«, rief sie. »Du kannst jederzeit nachkommen.« Und damit fuhr das Taxi los, und sie waren weg.
In den ersten paar Monaten, die Daddy und ich allein in der Wohnung verbrachten, beschäftigte ich mich mit Aufräumarbeiten. Mit zerrissenen alten T-Shirts und kochend heißem Wasser
schrubbte ich die Oberflächen in Wohnzimmer und Küche ab. Ich spülte das Geschirr und brachte den Müll weg. Jede Nacht zur Sendezeit unserer Lieblingsshows schaltete ich unseren Schwarz-Weiß-Fernseher ein und drehte die Lautstärke hoch. Sobald es draußen dämmerte, machte ich die Lampen in allen Räumen unserer Wohnung an, und ich drehte Lisas zurückgelassenes Radio (zu groß, um es mitzunehmen) auf, sodass Popmusik in ihrem leeren Zimmer spielte. Der Lärm und das Licht täuschten während der Abwesenheit meiner Mutter und meiner Schwester einen quirligen Haushalt vor.
Daddy sagte nie, dass er traurig über ihr Weggehen sei. Er beschwerte sich nie. Allerdings war er in dieser Zeit stiller als sonst, selbst er. Wenn er sich nicht gerade zudröhnte, schlief Daddy tagsüber in seinem Zimmer mit zugezogenen Vorhängen und ausgeschalteten Lampen. Wenn er wach war, hing die Einsamkeit die meiste Zeit an ihm wie eine alte Jacke. Ich erkannte es an seinen hängenden Schultern und an der Art, wie er vermeiden wollte, ihre Namen auszusprechen.
Wenn Daddy manchmal nach Downtown abzog, öffnete ich in dem Moment, in dem er um die Kurve der University Avenue verschwand, eine Schublade, in der noch ein paar von Mas Anziehsachen lagen, und suchte mir ein Stück davon aus, um es in der Wohnung zu tragen. Meistens genoss ich es, in Mas rosafarbenem Morgenmantel, den ich beim Gehen überall über den Fußboden zog, vor dem Fernseher herumzusitzen und Cornflakes während The Price Is Right zu essen. Ich war mir sicher, sie würde eines Tages zurückkommen, um wieder mit mir zusammen zu sein, sie würde ihr Weggehen bereuen und mir bereitwillig versprechen, uns nie wieder zu verlassen. Das Tragen ihrer Kleidung war meine Art, ihre Anwesenheit heraufzubeschwören, nur für die Zwischenzeit.
Als ich an der Junior High School 141 anfing, ging unser Telefon für eine kurze Zeit, und Ma rief mindestens viermal am Tag an, um zu beschreiben, wie sauber Bricks Wohnung sei. »Bedford
Park ist eine viel bessere Gegend, Lizzy. Lisa findet das übrigens auch.« Sie rief immer an, wenn sie gerade am Herd stand. Durch das Zusammenleben mit Brick war Ma zur Köchin geworden. »Ich habe seit Monaten kein Kokain mehr genommen. Kannst du dir das vorstellen, Lizzy? Mir geht es richtig gut. Wie gesagt, ich musste Daddy nur aus dem Weg gehen, um aufzuhören«, sagte sie und nahm mir so den Wind aus den Segeln, bevor ich überhaupt einen Ton gesagt hatte.
Im Hintergrund hörte ich, wie Brick sie zu mehr Eile antrieb. »Jean, Jean, die Schweinekoteletts! Jean!« Das Fett brutzelte lautstark, und sie widmete mir nur noch kurz ihre Aufmerksamkeit. »Ich muss auflegen, Lizzy. Wir essen gleich. Ich liebe dich, mein Schatz!« Mir wurde schwer ums Herz. »Ich liebe dich auch, Ma.« Und dann folgten unverzüglich ein Klicken und das Summen des Freizeichens.
Auf der Highschool musste ich mich wieder ganz neu orientieren, und ich hoffte, auch dort so durchzukommen, wie es mir an der Grundschule gelungen war – mit knapper Not zu bestehen aufgrund meiner Leistung in der standardisierten Jahresprüfung. In diesem Herbst fuhr ich den ganzen ersten Monat, den ich tatsächlich zur Schule ging, eine halbe Stunde mit dem Bus, der vollgepfercht war mit ausgelassenen Zwölf- und Dreizehnjährigen.
Irgendwann jedoch war ich, genau wie in der Grundschule, mehr ab- als anwesend. Der einzige Unterschied dabei war, dass ich jetzt, bedingt durch die lange Anfahrt und die unangenehme Erfahrung, mit mehreren Lehrern auskommen zu müssen, eigentlich immer abwesend war. Meine Schulversäumnisse waren gravierender denn je. Zu den seltenen Gelegenheiten, an denen meine Lehrer mich zu Gesicht bekamen, kannten einige noch nicht einmal meinen Namen, genauso wenig wie ich ihre.
In den ersten paar Wochen des Semesters, wann immer ich nach ein paar Tagen Abwesenheit mal wieder zurückkam, fand ich handgeschriebene Mitteilungen in meinem
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