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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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zur Decke aus Fenstern zu bestehen schienen, durch die man bereits Gemälde und Skulpturen erkennen konnte. Ma schob mich durch eine Seitentür ins Innere, ein Personaleingang, der zur Garderobe der Galerie führte, wo Brick arbeitete, von neun bis fünf, und abwechselnd Besuchermäntel aufhängte und Kunst bewachte.
    »Jeder muss eine Eintrittskarte haben, bevor er sich die Ausstellung einer Galerie ansehen darf, Lizzy. Normalerweise muss man dafür bezahlen, aber keine Sorge, Brick besorgt uns welche umsonst. « Sie sagte das voller Stolz. Je mehr Vertrautheit sie mit ihm an den Tag legte, desto mehr wurde sie für mich zu einer Fremden. Sie brachte mich dazu, meine häufige Abwesenheit von zu Hause zu bereuen. Ich bekam Panik bei dem Gedanken, sie hätte etwas Aufregenderes als uns gefunden. Sie hatte nie so viel über Lisa oder mich geredet oder war mal stolz darauf gewesen, wie hart ich arbeitete. Als ich sah, wie kundig und selbstsicher sich Ma ihren Weg durch den Angestelltenbereich zu seinem Arbeitsplatz bahnte, wurde ich mir plötzlich der unzähligen privaten Besuche bewusst, die sie der Galerie abgestattet haben musste. Ich fühlte mich auf eine Art hintergangen.
    Brick war ein glatzköpfiger, stämmiger Kettenraucher, der wenig redete, aber immer zustimmend zu allem nickte, was Ma zu sagen hatte. Er wollte sie haben, das erkannte ich daran, wie er offen und schamlos ihr Gesicht, ihren Körper musterte. Ich traute ihm nicht. Ich misstraute fremden Männern, die einem Sachen kauften; ich unterstellte ihnen, dass sie auf etwas aus waren, wie Ron damals.
    Wir aßen zusammen in einem Restaurant in der Nähe, die Straße hinunter. Ich durfte mir aus der Suppenauswahl aussuchen, was ich wollte. Den Abriss des Gratistickets der Galerie vor
mir auf dem Tisch, rührte ich im Kreis in meiner Pilzsuppe herum und beobachtete die beiden beim Flirten. Brick schob gleich auf dem Esstisch seine Hand über die von Ma und rieb sie, während sie redete, vor meinen Augen. Seine Nägel waren dunkelgelb verfärbt und bis aufs Fleisch abgekaut. Selbst seine Fingerspitzen sahen ein bisschen knubbelig aus, als würde er die auch anknabbern.
    Sie sah ihm beim Reden durchdringend in die Augen, ohne einmal den Blick abzuwenden. Ich hatte nicht gewusst, dass Ma zu so langen Aufmerksamkeitsspannen überhaupt fähig war.
    »Ich habe Lizzy erzählt, wie groß dein Appartement ist und wie einsam du dich da fühlst, so ganz allein«, sagte sie.
    Er schenkte ihr ein verwirrtes Lächeln und sagte mit seiner Fünf-Schachteln-am-Tag-Stimme: »Jean, ich komm gut zurecht.«
    Sie schlug ihm spielerisch auf die Schulter. »Oh, ich weiß doch, dass du dich manchmal allein fühlst, Brick. Das sagt er mir selbst, Lizzy«, sie sah mich für einen Moment an. »Du fühlst dich manchmal allein, Brick, das hast du mir gesagt.« Ihr Lachen klang nervös.
    Als wir anfangs in die Galerie gekommen waren, auf dem Weg zur Garderobe, hatte ich fälschlicherweise einen jüngeren Mann für Brick gehalten, einen ganz ansehnlichen, dunkelhaarigen Mann, der neben ihm stand, bis Ma an Brick herantrat und ihre Arme um seinen dicken Hals schlang. Bei unserer Ankunft stopfte er sich gerade Trinkgeld in die Hosentasche. Über Mas Schulter hinweg begrüßte er mich mit einem leisen »Scchhh«, dazu ein Blinzeln und ein Lächeln, das ein kaputtes Gebiss mit gelblichen Zähnen enthüllte, und deutete auf ein kleines silbernes Schild mit der Aufschrift: BITTE KEIN TRINKGELD. Ma konnte gar nicht aufhören, ihn anzulächeln und zu umklammern, während ich wartend danebenstand und mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte.
    Vor dem Essen wurde ich wegen meiner scharfen Augen damit beauftragt, Wache zu schieben, als Brick uns in eine verlassene
Ecke führte und heimlich, still und leise eine große Flasche Bier unter einem Müllsack in einem schwarzen Mülleimer hervorzog. Als er dann in der Männertoilette verschwand, um sie in einer verschlossenen Kabine zu leeren, versicherte Ma mir: »Er genehmigt sich ab und zu mal einen, um seine Nerven zu beruhigen. Weißt du, so ein Vollzeitjob ist schon ganz schön stressig.«
    Am Tisch im Restaurant war es schwer, ihren physischen Kontakt zu ertragen. Als Ma ihre Hand spielerisch über Bricks dicken Oberschenkel wandern ließ, der den Stoff seiner Uniform spannte, fiel mir auf, dass ich meine Eltern in meinem ganzen Leben höchstens zweimal beim Küssen gesehen hatte, beide Male flüchtig auf die Wange. Jetzt wirkten Mas

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