Als der Tag begann
Hände, wie sie Bricks unförmigen Körper betasteten, nicht nur wie ein Vergehen gegenüber Daddy, sondern auch gegenüber ihr selbst. Der Unterschied in ihrem Verhalten machte mich traurig. Während Ma unaufhörlich über seine großzügige Wohnung redete, hielt ich es kaum mehr aus auf meinem Stuhl. Ich konnte es nicht lassen, sie zu unterbrechen: »Können wir jetzt los, Ma? Bitte!«
Als die Stunde um war, begleiteten wir Brick zur Galerie, wo Ma ihn zärtlich küsste. Dann spazierten wir beide lange durch die einzelnen Stockwerke. Ich weigerte mich, sie anzusehen, sondern hielt meinen Blick geübt auf die Wände gerichtet. Sie versuchte, mit mir zu reden, aber ich tat so, als hörte ich sie nicht. Als wir in eine Abteilung kamen, die ein Mitarbeiter als »Kunst der Gegenwart« bezeichnete und die aus nichts weiter als aus schlichten weißen Leinwänden mit Farbspritzern und einzelnen abstrakten Formen bestand, legte Ma zum dritten Mal mit ihrem Gerede darüber los, wie wunderbar Brick doch sei, wenn ich ihn erst einmal richtig kennengelernt hätte.
Ich tat weiterhin so, als hörte ich nicht zu, bis wir in eine Abteilung kamen, die einem Künstler gewidmet war, der sich mit der Wiedererschaffung historischer ägyptischer Artefakte beschäftigte, und ich ihr schließlich über den Mund fuhr.
»Ma, tut mir wirklich leid, aber ich will ihn nicht besser kennenlernen.
Ich komme gut damit klar, nichts von ihm zu wissen.« Ich drehte ihr weiterhin den Rücken zu und ließ meinen Blick über die Gravierungen wandern, die der Künstler in die zeitgenössische Version einer Mumie geritzt hatte. »Ich weiß, er ist dein Freund, aber vielleicht solltest du nicht so viel Zeit mit ihm verbringen. In Ordnung?« Sie schwieg, ein Augenblick verging, und sie fragte einen Angestellten nach der Uhrzeit. Wir betraten das Lehmmodell eines kleinen Grabes, die Decke und die vier Seiten bedeckt mit pinkfarbenen Hieroglyphen, die sich durch eine Lichtinstallation in Orange verwandelten.
»Er hat bald Schluss, vielleicht könnten wir alle zusammen den Zug nehmen«, schlug sie vor. Sie stand so, dass sie den Ausgang der winzigen Grabanlage versperrte.
»Das ist doch schön, nicht wahr, Ma?«, fragte ich und inspizierte die Hieroglyphen, die in mehreren Reihen vor mir in den Lehm geritzt waren. »Wir haben in der Schule mal ein Arbeitsblatt mit Übersetzungen davon bekommen. Vielleicht kann ich mich noch an ein paar erinnern. Weißt du, manche sind Bannsprüche, um Grabräuber fernzuhalten. Gruselig, oder?«
»Schau mal, Lizzy, ich denke darüber nach, mit den Drogen aufzuhören … Ich … ich werde mit den Drogen aufhören.«
»Ich weiß, Ma …«, sagte ich sanft, denn ich wollte sie nicht verhöhnen. »Wenn ich dir irgendwie helfen kann, tue ich das.«
»Meinst du das ernst, Schätzchen? Weil es diesmal wirklich passieren könnte. Ich muss nur irgendwo sein, wo es keine Drogen gibt. Verstehst du?« Sie ging neben mir in die Hocke; ich saß im Schneidersitz auf dem Boden und tat so, als wüsste ich nicht, worauf sie hinauswollte. Ihr Gesicht war sauber und ihr Blick offen und wach. Mir fiel ein, dass sie tatsächlich seit fast einer Woche nicht mehr gefixt hatte, auch wenn sie mehrere Nächte hintereinander in der Kneipe gewesen war und durchgehend White Russians getrunken hatte, ihren neuen Lieblingsdrink. Ich fragte mich, ob sie es diesmal wirklich ernst meinte.
»Wenn du keine Drogen um dich haben willst, dann bring sie
nicht mit nach Hause«, sagte ich und drehte meinen Kopf wieder von ihr weg. »Es ist ganz einfach, wenn du das wirklich willst.«
»Aber dein Vater wird sie mit nach Hause bringen, Lizzy. Er wird weiterhin Drogen nehmen, und dann werde ich es nicht schaffen, nicht doch etwas davon zu nehmen. Ich kann das Zeugs nicht vor mir sehen und nichts nehmen, auf gar keinen Fall. Keine Chance.« Mir fiel kein Gegenargument dazu ein. Ich wusste, sie hatte recht, und ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals von Daddy irgendwas über Aufhören gehört zu haben. Langsam bekam ich klaustrophobische Zustände in diesem winzigen Raum. Stumm ließ ich meine Hand über das Plexiglas gleiten, das die empfindliche Kunst schützte, und führte eine Fingerspitze zu einem kräftig gemalten, bewaffneten Soldaten, der mutig aussah und doch vor nichts Besonderem Wache schob.
»Ich will nicht umziehen, Ma. Ich will Daddy nicht verlassen«, war alles, was mir dazu einfiel.
»Ich werde nicht so einfach gehen, Lizzy. Ich werde deinem
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