Als der Tag begann
das Mädchen beim Glotzen erwischt hatte. Schnell wandte ich mich ab. Mein Herz begann zu rasen.
Während Mr Strezou an der Tafel Mathematikaufgaben erklärte, hörte ich, wie das Mädchen dem Jungen vulgäre Witze erzählte. Sie erinnerten mich irgendwie an Mas dreckige Witze, an die, die sie nach einer Nacht mit White Russians zum Besten gegeben hatte. Ich war mir sicher, dass Mr Strezou das Mädchen hören konnte, und fragte mich, ob es ihn provozieren wollte. Ich konzentrierte mich, auf seltsame Weise unterhalten, genau auf die Vorgänge hinter mir, und wartete darauf, was der Lehrer wohl zu tun gedachte. Dann, wie aus dem Nichts, sprach mich das Mädchen plötzlich an. Ich dachte, sie meinte garantiert jemand anderen, aber sie beugte sich vor, klatschte ihre Hand auf mein Pult und kam mir ziemlich nahe.
»Nächsten Monat werde ich dreizehn. Und das werde ich feiern, indem ich einen Trenchcoat in die Schule anziehe.«
Ich wusste nicht genau, wie ich ihr Lächeln deuten sollte; niemand hatte je wirklich mit mir gesprochen, außer wenn ich zur Erheiterung aller öffentlich vorgeführt worden war. Ich wartete ab, was sie als Nächstes machen würde.
»Du weißt schon«, fuhr sie fort, » nur einen Trenchcoat. Und dann entblöße ich mich vor den Lehrern.« Sie griff nach dem Hemdkragen des weißen Jungen, und sie steckten lachend ihre Köpfe zusammen. Ich lachte mit, diesmal für alle sichtbar. Hatte sie eben tatsächlich mit mir gesprochen? Jetzt ist der Moment, in dem du auch was sagen musst, befahl ich mir, also sag was.
»Machst du das wirklich?«, war alles, was mir einfiel. »Das wäre echt komisch«, schob ich noch hinterher. Mr Strezou machte sich laut bemerkbar. »Es reicht jetzt, da hinten. Vor allem du, Bobby, lass den Quatsch . Und du, Samantha, ich brauche dich für die nächste Aufgabe, Nummer neun.« Er hielt die Kreide in der vorgestreckten Hand.
»Geht klar, hab verstanden. Guckt mal alle her!« Sie schnippte mit den Fingern, erhob sich von ihrem Stuhl und nahm eine
Showgirl-Pose ein, zu der auch das Kreisen ihrer Hüften gehörte und ein erneutes Zurschaustellen ihres strahlenden Lächelns. Als ich ihr Profil sah, stellte ich fest, dass ich ihre Schönheit unterschätzt hatte. Der Junge, Bobby, lachte hysterisch und ließ sie nicht aus den Augen.
»Genau hier befindet sich das Problem«, sagte sie. Sie hob ihre Hand und legte die Fingerspitzen alle aneinander, als würde sie zukneifen, stieß dann ein »Herrje!« aus und fiel abrupt wieder auf ihren Stuhl zurück.
»Äh, ich weiß es eigentlich nicht wirklich, Mr Strezou, tut mir leid. Ich kann Ihnen da irgendwie nicht weiterhelfen«, unterbreitete sie ihm schließlich, als wäre die Antwort zu seinem eigenen Nutzen. In der Klasse herrschte eine Mischung aus Stille und Gelächter vor, mit der Ausnahme von einigen Schülern in der ersten Reihe, die schier die Luft anhielten.
Ein anmutiges Mädchen stand schließlich auf und übernahm für sie das Lösen der Aufgabe.
Als der Unterricht zu Ende war, folgte ich Samantha durch die Menge, holte sie auf der Treppe ein und ging im gleichen Tempo wie sie hinunter, ich rechts am Geländer, sie links. Ich tat so, als wäre es purer Zufall, dass ich neben ihr war. Insgeheim wollte ich, dass sie mich noch einmal bemerkte. Gemeinsam drehten wir unsere Kreise auf der großen Wendeltreppe, bis wir beide lachen mussten, und dann wurde das Kreisen zu einer Art Spiel, einem chaotischen Rennen bis zum Treppenanfang. Als wir dort Seite an Seite nach Luft ringend ankamen, wurden wir Freundinnen.
»Wie heißt du?«, fragte sie mich außer Atem, die Hände immer noch auf den Oberschenkeln aufgestützt. Fast hätte ich Elizabeth gesagt, dachte aber noch mal darüber nach, als dieser Name mir wie ein Echo aus dem Mund aufgebrachter Sozialarbeiter, aggressiver Mädchen im Heim und, was am schlimmsten war, mit Mas verrückter Stimme, der Stimme aus ihren Anfällen, entgegenschallte.
»Liz, ich heiße Liz.« Ich probierte aus, wie sich dieser Name anfühlte.
»Also dann, nett, dich kennenzulernen, Liz. Ich bin Sam.«
»Cool. Hast du Lust, mit mir zu kommen?«, bot ich ihr mit einer Geste zu den Doppeltüren hin an.
Sie musste Ja gesagt haben, denn wir gingen letztendlich nebeneinander her, aber alles, an was ich mich erinnern kann, ist ihr unglaublich breites Grinsen, mit dem sie mich anlächelte.
Am nächsten Tag saß ich hinter einem Buch verschanzt allein in der abgelegensten Ecke der Mensa, den Kontakt mit
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