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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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Mas Schulter hinweg Brick beim Unterschreiben der Papiere beobachtete, die Mr Doumbia auf dem Küchentisch ausgebreitet hatte.
    »Gutes Gefühl, in Freiheit zu sein?«, fragte Brick lachend und verschluckte sich in einem Raucherhustenanfall. Durch seine Frage fühlte ich mich grässlich, und ich antwortete ihm nicht, sondern setzte mich und lehnte mich zurück, um Ma anzusehen, die mich anlächelte und mir in die Augen sah. »Ich bin so glücklich , dass du hier bist, Lizzy.«
    »Vergiss das nicht …«, Mr Doumbia nahm beim Sprechen seine Sonnenbrille ab, der Zahnstocher an seiner Unterlippe wippte, »das hier ist ein Versuch auf Bewährung. Wir schauen uns mal an, wie das mit der Schule läuft, und dann werden wir wissen, ob die Unterbringung erfolgreich war oder ob Miss Elizabeth in das System zurückkehren möchte.«
    Obwohl der Unterricht in St. Anne’s aus nicht viel mehr als einer Handarbeitsstunde in einem abgelegenen Raum mit einer Frau namens Olga bestanden hatte, hatte ich theoretisch innerhalb des Systems die siebte Klasse bestanden.

    Einen Tag nach meiner Ankunft war geplant, dass ich an der Junior High School 80 in die achte Klasse ging. Ma hatte mich dort anmelden müssen. »Penny Marshall und Ralph Lauren waren dort auch Schüler, weißt du«, erzählte Ma mir, als wir auf dem Weg zu meiner neuen Schule den Mosholu Parkway überquerten. »Nur hieß er damals noch Lipshitz. Stell dir das mal vor, Mode von Ralph Lipshitz! Als ob irgendwer so ’n Scheiß kaufen würde.« Ich lachte nicht. »Es ist eine wirklich gute Schule, Lizzy. Ich wünschte, ich könnte selbst noch mal die Schulbank drücken. Hab die Highschool nie abgeschlossen, weißt du. Ich hoffe, du machst einen Abschluss«, sagte sie dann noch mehr zu sich selbst als zu mir. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt eine einzige Woche in der Schule durchstehen würde, aber bei dem Gedanken an eine Rückkehr nach St. Anne’s drehte sich mir der Magen um.
    Der Sicherheitsdienst lenkte uns zu einem kleinen Büro, wo wir auf das Treffen mit dem Betreuungslehrer warteten, der mir sagen würde, in welche Klasse ich tatsächlich aufgenommen werden konnte. Viele Kinder schienen die Klasse zu wechseln und strömten in das Büro hinein und wieder hinaus. Beim Anblick ihrer Rucksäcke und ihrer ordentlichen Klamotten sowie ihres Umgangs miteinander, wie sie lachten und sich gegenseitig durch die Flure jagten, fühlte ich mich älter als sie alle zusammen. Und als ich just in diesem Moment in das kleine Büro eintrat, wurde mir plötzlich klar, dass ich mich für meine Mutter schämte.
    Sie erzählte mir in Ruflautstärke — und ohne Gespür für ihren Jargon – über die Köpfe der vorbeiziehenden Kinder hinweg mit Obszönitäten gespickte Geschichten über ihre neuen Freunde in einer Kneipe des Viertels, Madden’s . Seit sie vom Kokain weg war, nahm sie regelmäßig ihre Medikamente, die bei ihr aber ein nervöses Zucken auslösten, als würden ihre Arme und Beine unerwartet durch unsichtbare Schnüre urplötzlich nach oben gezogen. Die Narben auf ihren Armen waren mir noch nie so deutlich aufgefallen, bis wir unter den grellen Lampen im Büro der Junior High School saßen; durch tausendmaliges Einstechen und Spritzen
waren sie zu helllilafarbenen, über ihre Venen verteilten Flecken verheilt. So wahr ich hier saß, ich war davon überzeugt, dass jeder wusste, dass sie von Drogen stammten.
    Ein anderer Schüler, ein Junge in meinem Alter, wartete auch noch gegenüber von uns. Seine Mutter war ordentlich gekleidet; sie trug einen femininen Hosenanzug, dazu Pumps. Während Mas Geschichten rutschte die Frau unangenehm berührt auf ihrem Stuhl herum, spielte immer wieder mit ihrer schmalen Halskette und flüsterte ihrem Sohn etwas zu. Ma hatte sich vor Kurzem die Haare geschnitten, vorn kurz, hinten lang, und sie trug eins von Bricks Rabatt-T-Shirts, auf dem MARLBORO, WAS ES HEISST, EIN MANN ZU SEIN stand. Ich sank auf meinem Platz in mich zusammen.
    Als die Betreuungslehrerin den Nächsten aufrief, der an der Reihe war, nannte sie den Namen des Jungen. Ma stand sofort auf und schnitt ihm und seiner Mutter den Weg ab, weil sie nur die Worte »Als Nächstes, bitte …« mitbekommen hatte und nicht den Namen. »Nein, Ma, sie sind als Nächstes dran«, stammelte ich, aber die Frau winkte uns durch. »Nein, nein, kommen Sie nur rein.« Ma saß schon, sie hatte von all dem nichts mitbekommen.
    Die Junior High School 80 teilte seine Schüler, wie fast

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