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Als der Tag begann

Als der Tag begann

Titel: Als der Tag begann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Murray
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alle anderen Schulen auch, in Klassen auf, deren Niveaus von »erstklassig« bis »unterdurchschnittlich« festgelegt waren. Das hieß im Klartext, in Klassen von Superschlauen und Bescheuerten, die sie mit Attributen zur Niveaubezeichnung im Stil von »Star« für »unübertroffen«, »Excel« für »herausragend« und »Earth« für »bodenständig« chiffrierten.
    »Ich werde nun das Niveau der Klasse festlegen, das am besten zu dir passt«, erklärte mir die Betreuungslehrerin, eine ältere Dame, in einem gelehrigen Ton.
    »Na, also, sie ist schlau«, forderte Ma mit Nachdruck, »stecken Sie sie in die Klasse mit den schlauesten Kindern, denn da gehört sie hin.« Ich wurde von Schuldgefühlen überrollt. Ich saß hier und überlegte, wie ich mich bloß von Ma distanzieren und abgrenzen
könnte, während sie für mich eintrat und völlig unberechtigterweise stolz auf mich war.
    Das Lachen der Betreuungslehrerin war beleidigend. Sie erklärte, dass das Festlegen meines Niveaus auf der Durchsicht meiner Unterlagen aus den bisher von mir besuchten Schulen beruhte. Ich fummelte nervös und genervt an meinem Haargummi herum, hin- und hertaumelnd zwischen Schuldgefühlen und Liebe für meine Mutter. Ich hatte Angst, dass ich sie nur enttäuschen und ihr beweisen würde, wie unbegründet ihr Glaube an mich doch war.
    Die Beraterin brauchte nur einen kurzen Moment, um meine Akte zu durchblättern und fröhlich ihr Urteil zu verkünden, als wollte sie es lustig klingen lassen: »Ich glaube, wir haben die perfekte Klasse für dich gefunden, Liebes.« Sie nahm sich die Liste mit den verfügbaren Plätzen in der »bodenständigen Klasse« vor und schrieb meinen Namen auf irgendein offizielles Anmeldeformular, daneben dann die Bezeichnung Acht Earth Eins, die, wie sie mich aufklärte, eine »solide« Klasse war.
    »Sie haben gerade Mittagspause, Elizabeth. Du kannst am Earth-Programm mit Mr Strezou teilnehmen, sobald sie um zwölf zurückkommen«, sagte sie und drückte mir eine Notiz für meinen neuen Lehrer in die Hand. Als Ma und ich aufstanden und uns anschickten zu gehen, fügte sie noch hinzu: »Ich hoffe, du gehst von nun an regelmäßig zur Schule; es wäre sonst schade. Du wirst auch nicht jünger, und oftmals endet das dann auf die eine oder andere Art.«
    Ma und ich holten uns als Mittagessen ein Stück Pizza, ließen uns unmittelbar außerhalb des Schulgeländes auf einer mitten in einer Wiese eingelassenen Metallplatte nieder und betrachteten die an uns vorbeizischenden Autos. Gleich nebenan, hinter dem Maschendrahtzaun, der den Schulhof abtrennte, spielten kreischend Kinder. Ich aß meine Pizza schnell auf und sah Ma, ihre kaum angerührte Pizza neben sich, beim Rauchen zu. Eine Frau überquerte mit drei kleinen Kindern und einem Kinderwagen die
Straße. Nirgendwo waren auch nur Ansätze von Graffiti zu sehen. Bedford Park war so anders, dachte ich; alles war anders.
    Ma hatte den Entschluss gefasst, mir von ihrer Zeit in der Junior High School zu erzählen, wie sie, ihr Bruder und ihre Schwester in die jeweilige Klasse des anderen marschiert waren und dort eine mit tränenerstickter Stimme vorgetragene Geschichte zum Besten gaben, wie krank der andere war, damit sie vom Unterricht befreit wurden. Dann trafen sie sich alle drei hinter der Schule und gingen zum Klauen oder schlichen sich ins Kino, um dort den ganzen Tag zu verbringen. Wir lachten darüber, aber Ma wurde ganz schnell wieder ernst.
    »Aber ich wünschte mir, ich hätte es anders gemacht, Lizzy. Ich bedaure, dass ich nicht hingegangen bin, und jetzt kann ich es nicht mehr ändern, es ist zu spät. Tu das nicht, Lizzy, am Ende hast du keine einzige verdammte Chance mehr, wenn du älter bist. Du willst doch nicht total aufgeschmissen sein, oder?«, sagte sie achselzuckend.
    »Warum, bist du aufgeschmissen, Ma? Fühlst du dich nicht wohl mit Brick?«
    »Wir können froh sein, dass es ihn gibt«, war alles, was sie dazu sagte, und ich beließ es dabei.
    Mir fiel wieder mal Mas allumfassende Verwundbarkeit auf. Irgendetwas an dieser Situation, hier mit ihr zu sitzen, unter freiem Himmel, in dieser mir unbekannten Gegend, und dabei ein Mittagessen zu verzehren, das vom Geld dieses seltsamen Mannes bezahlt worden war, irgendetwas daran ließ mich plötzlich Mas Zierlichkeit erkennen, ihre Fastblindheit und das völlige Fehlen von Möglichkeiten für sie, so schlecht, wie ihre Chancen standen. Wenn Ma das Gefühl hatte, sie müsse unser Zuhause verlassen,

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