Als der Tag begann
nutzlose Silbe, mehr nicht.
»Du bist zu jung für das hier«, sagte sie und hob ihre zitternde Hand. »Es tut mir leid. Du bist einfach zu jung.«
Ich starrte sie ausdruckslos an und sah zu, wie sie hinausging. Die weißen Pillen lagen immer noch auf der dunklen Tischplatte verstreut herum.
Ich war nie zu jung für irgendwas gewesen – nicht für ihre Drogen oder für Mas anschauliche Beschreibungen von Teenagerprostitution – , aber für das hier , für Aids, war ich zu jung. Ich hasste mich abgrundtief dafür, dass sie damit recht hatte, dafür, dass ich so wenig unternahm, meine Mutter zu trösten, wenn sie mich am dringendsten brauchte. Ich war ihr immer zur Seite gestanden, aber als Ma gegen Aids kämpfte, hatte ich mich von ihr distanziert. Oder hatte sie sich von mir distanziert? Irgendetwas war mit uns passiert, nachdem sie die University Avenue verlassen hatte, nach meinem Aufenthalt im Erziehungsheim und jetzt, wo sie immer kränker wurde, weil wir uns einfach nicht mehr nahestanden. Ich hatte jetzt Sam, und meine Tage waren aufregend durch das Schuleschwänzen, ich gab mich Tagträumen über die gemeinsame Zukunft mit meinen Freunden hin und spürte eine vorher nie gekannte Lebensfreude. Es lief darauf hinaus, dass, je mehr Spaß ich mit meinen Freunden hatte, es immer schwieriger für mich wurde, zu Ma und nach Hause in diese Wohnung zu kommen, die von ihrer Krankheit erfüllt war. Es wurde immer schwieriger, in der Nähe ihres Sterbens zu sein. Es war so viel einfacher, überhaupt nicht nach Hause zu kommen und bei meinen Freunden zu bleiben.
»Egoist«, sagte ich laut zu mir und wischte mir grob die Tränen aus dem Gesicht. Auf der 202nd Street blickte ich hinauf zu Bobbys Wohnzimmerfenster, zu diesem gemütlich wirkenden Licht darin. Ich dachte an sein Lächeln, an die Art, wie es seine großen Augen zum Leuchten brachte und sie so verlockend aussehen ließ. Ich machte mich auf den Weg nach oben.
Paula, seine Mutter, servierte uns Schweineschnitzel und Reis vor dem Fernseher in seinem Zimmer. Gerade lief ein Ringkampf, der Bobby dazu veranlasste, alle paar Minuten seine Arme hochzureißen und zu klatschen, und zwar so, dass jedes Mal sein nackter
Bauch und die Linie aus feinen schwarzen Haaren, die bis zu seinem Nabel verlief, enthüllt wurden. Vor dem Klingeln hatte ich meine Wangen getrocknet und ein paarmal tief durchgeatmet, um sicherzugehen, dass er nicht misstrauisch wurde.
»Ich mag dein Zimmer, Bobby«, sagte ich fröhlich. Aber dann fiel mir ein, gerade als die Worte meinen Mund verließen, dass ich ihm das bereits bei meinem ersten Besuch schon gesagt hatte.
»Danke.« Liebenswürdig sah er über mein Versehen hinweg, und genauso herzlich war er gewesen, als ich überraschend vor der Tür gestanden hatte. »Der da heißt Mankind«, klärte er mich auf und zeigte dabei auf einen riesigen, mit einer Ledermaske verhüllten Mann, dessen üppiges Fleisch schweißnass glitzerte. Der Typ grunzte in die Kamera, schoss aus den Seilen und landete in Hockstellung auf dem Rücken seines Gegners, was Schreie in der Zuschauermenge und bei Bobby auslöste, der seine Arme wieder in die Luft warf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich bei diesem Thema einbringen sollte — normalerweise hielt Sam die Ringkampfgespräche am Laufen.
»Ja? Das ist cool … Ist der, ich meine, kämpft der schon lange so?«
»Mankind ist total durchgeknallt «, antwortete er und unterbrach sich selbst für einen Moment, um ins nächstgelegene Zimmer zu schauen. »Warte mal. Mach meine Tür zu, Chrissy! «, brüllte er.
Ein junges Mädchen mit einer weicheren Version von Bobbys Gesichtszügen tauchte plötzlich im Türrahmen auf und beugte sich vor, um nach dem Knauf zu greifen. Bevor sie die Tür schloss, musterte sie mich von oben bis unten und registrierte dabei Bobbys T-Shirt, das er mir geliehen hatte, während mein eigenes vom Regen trocknete.
»Tür zu und raus«, befahl er ihr. Sie verdrehte die Augen und schlug die Tür zu, und zwar laut. »Blöde Göre«, sagte er. »Na jedenfalls, also der Typ ist total verrückt.«
»Oh, also ist das so ’ne Art Trick von ihm?«
»Wie meinst du das?«
»Egal, nur … Äh, der ist also verrückt?«
»Genau. Und dann gibt’s da noch Bret Hart, der bekannt ist für seine Präzision. Weißt du, Liz, sie alle haben etwas Besonderes an sich …«
Bis spät in die Nacht hörte ich Bobby beim Reden zu und spielte Zuhörerin, während er durch seine Ringkampfmagazine
Weitere Kostenlose Bücher