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Als die erste Atombombe fiel

Als die erste Atombombe fiel

Titel: Als die erste Atombombe fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Vater aus Yamaguchi, der Hauptstadt einer Präfektur westlich von Hiroshima, zurück und beschrieb die Situation in der Stadt. Ich war sehr erschrocken. Wie entsetzlich die Atombombe ist, kann man sich leicht vorstellen, wenn man bedenkt, dass ich, der vorher überhaupt nicht auf Flugzeuge geachtet hatte, jetzt bei dem entferntesten Motorengeräusch zusammenzuckte. Erst jetzt wurde mir klar, wie hassenswert und scheußlich Krieg ist.
    Als die bedingungslose Kapitulation verkündet wurde, weinten alle vor Demütigung. Ich war auch traurig, aber irgendwie auch sehr erleichtert. Ich wünschte sogar, dass während dieses Krieges überall Atombomben abgeworfen worden wären, sodass jedes Land den Schrecken der Bomben auf eigenem Boden hätte erfahren können. Denn wenn die Menschen wirklich verstünden, wie barbarisch, grausam, unzivilisiert und widerwärtig ein Atomkrieg ist, würden sie, denke ich, den scheußlichen Krieg in Korea beenden.

Ich lief barfuß durch das Feuer
    Yuriko Yamamura
Schülerin der 9. Klasse, damals 3. Klasse
    Der 6. August 1945 wird immer unvergesslich bleiben. Dieser schreckliche Atombombentag. Er wird eine der traurigs-ten Erinnerungen meines Lebens sein. Diese scheußlichen Szenen, die ich an jenem Tag miterlebte, vier Tage nach meinem Geburtstag! Diese quälenden Erinnerungen, die ich nie loswerde. Oh, Krieg ist furchtbar, ich werde den Krieg immer hassen!
    Damals lebten wir in Dote-machi am Fuß des Hijiyama-Hügels. Es waren sehr heiße Tage. Mutter hatte mir am Abend vorher ein neues Kleid genäht. Am Morgen des 6. August nähte sie die Knöpfe an. Die Schule musste gleich anfangen, und normalerweise wäre ich schon dort gewesen, aber an diesem Morgen hatten mich meine Freundinnen nicht abgeholt, was sie sonst immer taten. Und Vater, der auch später als sonst fertig war, um in sein Büro zu gehen, rauchte noch eine Zigarette im Flur und sagte: »Ich fühle mich heute Morgen gar nicht besonders wohl.« Mein Bruder lief gewöhnlich fast nackt am frühen Morgen nach draußen, um Streiche in der Nachbarschaft zu machen, aber diesmal war er zu Hause und behielt seine Jacke an. Wenn ich zurückdenke, kommt es mir so vor, als ob wir uns an diesem Morgen alle anders als sonst verhalten hätten.
    Ich saß neben Mutter und sah ihr beim Nähen zu. Wir waren in einem Sechs-Matten-Zimmer im Erdgeschoss. Das Zimmer nebenan hatte vier Matten. An der anderen Seite des Flurs war ein Wohnzimmer. Oben war niemand. Mein großer Bruder war beim Kadetten-Korps der Marine.
    Es hatte Entwarnung gegeben und wir hatten den Luftschutzunterstand verlassen und waren wieder ins Haus gegangen.
    In diesem Augenblick sah ich ein grelles Licht hinter unserer Gartenmauer aufblitzen. Es blendete die Augen, ich habe es wirklich gesehen. Ich war erschrocken. Plötzlich fand ich mich eingeklemmt unter einer Kommode in der Ecke des Flurs wieder. Ob ich hingerannt bin oder hingeschleudert wurde, weiß ich nicht. Es war völlig dunkel. Mir tat nichts weh, aber ich zitterte vor Angst. Ich ging damals erst in die dritte Klasse. Verzweifelt schrie ich um Hilfe, so laut ich konnte. Explosionen, Schreie, einstürzende Häuser … In der Dunkelheit hörte ich Mutter rufen: »Ich bin hier.« Aber ich wusste nicht, woher ihre Stimme kam. Ich konnte sie nur hören.
    »Helft mir, helft mir«, stammelte mein dreijähriger Bruder. Als Vater ihn weinen hörte, riss er wie besessen die Fußbodenbretter auf und zog ihn schließlich heraus. Sein Gesicht war blutig. Vater drückte ihn an sich und kroch durch die Trümmer auf die Straße. Die Treppe war verschwunden, dort war nichts mehr. Irgendwie kamen wir hinaus. Von allen Seiten waren Hilferufe zu hören. Wie soll ich diese kläglichen, gequälten Rufe beschreiben? Mutter und ich gingen vorsichtig zum Unterstand, aber Vater versuchte zuerst, einigen Leuten aus den Trümmern zu helfen. Ein Kind der Familie K. von nebenan war von dem zusammenstürzenden Haus eingeschlossen und rief mit lauter Stimme: »Mutter, Hilfe, Hilfe.« Vater und Herr Okamoto versuchten sofort, ihn herauszuholen, aber sie konnten nichts tun. »Einen Augenblick noch. Ich hole eine Säge, um dich da rauszuholen«, sagte Vater, aber nur, um dem Jungen Mut zu machen, und dann half er, andere Leute zu befreien.
    Es waren so viele Menschen in Not, dass es weit über seine Kräfte ging, allen aus den Trümmern herauszuhelfen. Die Flammen rückten immer näher und züngelten schon an den Häusern direkt neben uns hoch. Wir

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