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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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noch Kraft hatte, verteidigen.
     Vielmehr folgten die einen dem Beispiel ihres Offiziers, die anderen warfen ihre |59| Waffen davon und wandten sich dem Nächstbesten entgegen, dass er sie töte. Denn fliehen konnte man nicht (mehr), selbst wenn
     man es noch so sehr gewollt hätte. Auf diese Weise wurde jeder Mann und jedes Pferd niedergehauen und die [die Text-Überlieferung
     bricht hier ab]. 12
     
     
    Das Kampffeld bei Kalkriese
     
    Es fällt auf, dass Varus die Einheiten, so zusammengeschmolzen sie bereits waren, noch bis zu seinem Tode zusammenhalten konnte.
     Nach allem, was wir bislang wissen, haben die Kampfhandlungen am Ende noch östlich der Ems stattgefunden. Die Germanicus-Armee
     ist nämlich im Jahr 15 nach dem Besuch der Stätten der Varuskatastrophe wieder am Ausgangspunkt ihres Feldzugs bei Rheine
     an der Ems angelangt. Diesen Engpunkt erreichten sie, nachdem sie einen Großteil der 60–80 Kilometer des Untergangs der Varusarmee
     nordöstlich des Eggekamms, dann in nördlicher Richtung über einen der Pässe des Wiehengebirges sowie am Schluss durch den
     Engpass bei Kalkriese nachvollzogen hatten. Bei Rheine hat sich der Heerzug des Germanicus wieder getrennt, worauf Caecina
     mit seinen vier Legionen über die
pontes longi
– verfolgt von Arminius, der inzwischen seine Bundesgenossen versammelt hatte und erfolgreich gegen die Römer vorging – zurück
     nach Xanten gezogen ist (vgl. S. 51). Es handelt sich dabei vermutlich um denselben Weg, den Varus noch angestrebt, aber infolge
     der Kämpfe in der Ebene zwischen dem Kalkriese-Pass und der Ems nicht mehr erreicht hat. Die Funde in Kalkriese, die sich
     über ein Areal von sechs Kilometern erstrecken, bestätigen die Überlegungen, da sich hier noch die Spuren aller Truppenteile
     (mit Trossbestandteilen) finden lassen. Hier sind die Truppen vermutlich am Morgen des vierten Tages von ausgebauten Wall-Hinterhalt-Positionen
     bei der Durchquerung der Engstelle heftig angegriffen worden. Dieser Wall ist heute auf 400 Meter im Engpass von Kalkriese
     auf dem Oberesch – nach den Funden die am heftigsten umkämpfte Stelle – nachgewiesen: Neueste Forschungen haben ergeben, dass
     es Germanen waren, |60| die den Wall innerhalb kürzester Zeit aus dem örtlich vorhandenen Material hochgezogen hatten. Im Engpass haben sich Militaria
     aller Truppenteile einer Legion gefunden: Barschaftsfunde mit Münzmaterial, das den Fundzusammenhang aufgrund der Varusgegenstempel
     in eine Zeit nach 7 n.Chr., nach Antritt der Statthalterschaft des Varus, datieren hilft. Weiter sind Trossmaterial und Knochenfunde
     von Pferden, Maultieren und Menschen – Männern „im besten Alter“ mit Hieb- und Stichverletzungen und einer Frau – zum Vorschein
     gekommen, die teilweise nach einigen Vegetationsperioden an der Oberfläche in Gruben nachträglich bestattet worden waren.
     Genau das hatte die Germanicus-Armee mit den Knochen, die sie auf den Kampfstätten vorfand, nach dem Bericht des Tacitus getan.
     Heftig betrauert wurden die Toten auch von den Angehörigen, wie der berühmte Caelius-Grabstein belegt (CILX III 8648).
    |61| Insgesamt scheint der Fundbestand im Engpass von Kalkriese eher dafür zu sprechen, dass sich hier eine römische Armee durchkämpfte
     – und unterlag. Das macht die Einordnung der Auseinandersetzungen dort in den zeitlichen Kontext der Katastrophe von 9 n.
     Chr. wahrscheinlicher als die Alternative, die mitunter erwogen wird: Die Armee des Germanicus im Jahr 15 n. Chr., die sich
     ungeschlagen auf demselben Weg wie Varus zum Sammelpunkt an der Ems befand, wird eher nicht derartige Spuren hinterlassen
     haben. 13
     
     
    Der Triumph der Sieger
     
    Über die Handlungen der Sieger unmittelbar nach Varus’ Tod und dem Untergang der Hauptarmee berichtet Tacitus auf Basis der
     Berichte der wenigen Überlebenden, die Germanicus im Jahr 15 begleiteten:
    In den benachbarten Hainen standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und die Zenturionen der ersten Rangstufe
     geschlachtet hatten. Die Leute, die diese Niederlage überlebt hatten und der Schlacht oder der Gefangennahme entronnen waren,
     erzählten, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler von den Feinden erbeutet worden; sie zeigten, wo Varus die erste
     Wunde erhalten, wo er mit seiner unseligen Rechten sich selbst den Todesstoß beigebracht habe; wo Arminius von der Tribüne
     herunter eine Ansprache gehalten habe, wie viele Galgen für die Gefangenen, was

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