Als die Roemer frech geworden
noch Kraft hatte, verteidigen.
Vielmehr folgten die einen dem Beispiel ihres Offiziers, die anderen warfen ihre |59| Waffen davon und wandten sich dem Nächstbesten entgegen, dass er sie töte. Denn fliehen konnte man nicht (mehr), selbst wenn
man es noch so sehr gewollt hätte. Auf diese Weise wurde jeder Mann und jedes Pferd niedergehauen und die [die Text-Überlieferung
bricht hier ab]. 12
Das Kampffeld bei Kalkriese
Es fällt auf, dass Varus die Einheiten, so zusammengeschmolzen sie bereits waren, noch bis zu seinem Tode zusammenhalten konnte.
Nach allem, was wir bislang wissen, haben die Kampfhandlungen am Ende noch östlich der Ems stattgefunden. Die Germanicus-Armee
ist nämlich im Jahr 15 nach dem Besuch der Stätten der Varuskatastrophe wieder am Ausgangspunkt ihres Feldzugs bei Rheine
an der Ems angelangt. Diesen Engpunkt erreichten sie, nachdem sie einen Großteil der 60–80 Kilometer des Untergangs der Varusarmee
nordöstlich des Eggekamms, dann in nördlicher Richtung über einen der Pässe des Wiehengebirges sowie am Schluss durch den
Engpass bei Kalkriese nachvollzogen hatten. Bei Rheine hat sich der Heerzug des Germanicus wieder getrennt, worauf Caecina
mit seinen vier Legionen über die
pontes longi
– verfolgt von Arminius, der inzwischen seine Bundesgenossen versammelt hatte und erfolgreich gegen die Römer vorging – zurück
nach Xanten gezogen ist (vgl. S. 51). Es handelt sich dabei vermutlich um denselben Weg, den Varus noch angestrebt, aber infolge
der Kämpfe in der Ebene zwischen dem Kalkriese-Pass und der Ems nicht mehr erreicht hat. Die Funde in Kalkriese, die sich
über ein Areal von sechs Kilometern erstrecken, bestätigen die Überlegungen, da sich hier noch die Spuren aller Truppenteile
(mit Trossbestandteilen) finden lassen. Hier sind die Truppen vermutlich am Morgen des vierten Tages von ausgebauten Wall-Hinterhalt-Positionen
bei der Durchquerung der Engstelle heftig angegriffen worden. Dieser Wall ist heute auf 400 Meter im Engpass von Kalkriese
auf dem Oberesch – nach den Funden die am heftigsten umkämpfte Stelle – nachgewiesen: Neueste Forschungen haben ergeben, dass
es Germanen waren, |60| die den Wall innerhalb kürzester Zeit aus dem örtlich vorhandenen Material hochgezogen hatten. Im Engpass haben sich Militaria
aller Truppenteile einer Legion gefunden: Barschaftsfunde mit Münzmaterial, das den Fundzusammenhang aufgrund der Varusgegenstempel
in eine Zeit nach 7 n.Chr., nach Antritt der Statthalterschaft des Varus, datieren hilft. Weiter sind Trossmaterial und Knochenfunde
von Pferden, Maultieren und Menschen – Männern „im besten Alter“ mit Hieb- und Stichverletzungen und einer Frau – zum Vorschein
gekommen, die teilweise nach einigen Vegetationsperioden an der Oberfläche in Gruben nachträglich bestattet worden waren.
Genau das hatte die Germanicus-Armee mit den Knochen, die sie auf den Kampfstätten vorfand, nach dem Bericht des Tacitus getan.
Heftig betrauert wurden die Toten auch von den Angehörigen, wie der berühmte Caelius-Grabstein belegt (CILX III 8648).
|61| Insgesamt scheint der Fundbestand im Engpass von Kalkriese eher dafür zu sprechen, dass sich hier eine römische Armee durchkämpfte
– und unterlag. Das macht die Einordnung der Auseinandersetzungen dort in den zeitlichen Kontext der Katastrophe von 9 n.
Chr. wahrscheinlicher als die Alternative, die mitunter erwogen wird: Die Armee des Germanicus im Jahr 15 n. Chr., die sich
ungeschlagen auf demselben Weg wie Varus zum Sammelpunkt an der Ems befand, wird eher nicht derartige Spuren hinterlassen
haben. 13
Der Triumph der Sieger
Über die Handlungen der Sieger unmittelbar nach Varus’ Tod und dem Untergang der Hauptarmee berichtet Tacitus auf Basis der
Berichte der wenigen Überlebenden, die Germanicus im Jahr 15 begleiteten:
In den benachbarten Hainen standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und die Zenturionen der ersten Rangstufe
geschlachtet hatten. Die Leute, die diese Niederlage überlebt hatten und der Schlacht oder der Gefangennahme entronnen waren,
erzählten, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler von den Feinden erbeutet worden; sie zeigten, wo Varus die erste
Wunde erhalten, wo er mit seiner unseligen Rechten sich selbst den Todesstoß beigebracht habe; wo Arminius von der Tribüne
herunter eine Ansprache gehalten habe, wie viele Galgen für die Gefangenen, was
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