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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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Vorteile für die Germanen
     
    Die Römer befanden sich bereits weit ab von den herkömmlichen und ausgebauten Wegen, sodass Varus nach dem ersten Angriff
     nicht an eine Rückkehr dachte. Vielleicht – er hatte ja noch nicht die Erfahrung mit Arminius als beständigem und kundigem
     Strategen gemacht – rechnete er damit, dass die Angriffsintensität abflauen würde, wenn sie sich konsequent und energisch
     zur Wehr setzten.
    Doch die Witterungsbedingungen und die Wegeverhältnisse waren schlecht. Hinzu kam, dass das Heer schwerfälliger als sonst
     unterwegs war. Weil man sich nicht in Feindesland glaubte, hatten die Römer alles mögliche Hab und Gut – samt Familie und
     Paradeornat – mitgenommen, so Cassius Dio; und die Funde bei Kalkriese bestätigen das:
    Die Berge waren unterbrochen durch tiefe Schluchten und steil, und die Bäume standen dicht und waren sehr hoch, sodass die
     Römer, noch bevor die Freunde über sie herfielen, sehr viel Mühe hatten, indem sie die Bäume fällten sowie Wege und Dämme
     bauten, soweit die Gegebenheiten dies erforderten. Darüber hinaus führten sie viele Wagen mit sich, ebenso wie viele Lasttiere,
     ganz wie in Friedenszeiten üblich. Es begleiteten sie nicht wenige Kinder und Frauen, weiter eine große Schar an Sklaven,
     sodass sie auch deswegen in einem weit verstreuten Zug marschierten. Inzwischen hatte sich dazu ein heftiger Regen und Wind
     eingestellt, die den Heereswurm noch mehr auseinander zogen. Der Untergrund wurde rutschig um die Wurzeln |55| und Baumstümpfe herum und machte es daher sehr unsicher für sie, dort zu marschieren. Und die Baumwipfel, die abbrachen und
     herunterfielen, verursachten viel Unruhe und Verwirrung.
    Die Nachteile für die Römer wirkten sich in jeder Hinsicht zum Vorteil der Germanen aus: Während jene ahnungslos waren, verfolgte
     der Führer der Germanen konsequent seinen detaillierten Plan. Er wusste um die Schwächen der römischen Armee, die unter diesen
     Umständen verstärkt zu Buche schlugen. Seine Einheiten waren als römische Bundesgenossentruppen diszipliniert und in der römischen
     Kriegstaktik, Befehls- und Kommandostruktur geschult, kannten die Wegeverhältnisse und hatten die für die Witterung geeignete
     Bewaffnung, die nicht durch den Regen unbrauchbar wurde wie die der Römer. Nach den ersten Erfolgen kamen weitere Einheiten
     der verbündeten Stämme hinzu.
    Während die Römer sich in derartigen Schwierigkeiten befanden, umringten die Barbaren sie zugleich von allen Seiten durch
     das dichteste Buschwerk unerwarteter Weise, weil sie der Pfade kundig waren. Und zuerst warfen sie die Geschosse aus der Ferne.
     Dann aber, als sich keiner verteidigte und viele verwundet worden waren, rückten sie näher an sie heran. Denn die Römer marschierten
     nicht in regulärer Marschordnung, sondern vermischt mit den Wagen und den Unbewaffneten, sie konnten sich nicht leicht zusammenziehen
     und waren deshalb immer zahlenmäßig unterlegen an jedem Ort, wo die Angreifer mit ihnen handgemein wurden. So erlitten sie
     große Verluste und konnten keinen Gegenangriff starten.
    Deshalb schlugen sie ein Lager auf, nachdem sie einen geeigneten Platz, soweit es auf einem bewaldeten Berg möglich war, in
     Besitz genommen hatten. Und danach verbrannten sie die meisten Wagen und das Übrige, was nicht für sie besonders notwendig
     war. Den Rest ließen sie zurück. 6
     
    |56| Der erste Kampftag und das erste Lager
     
    Tacitus beschreibt auf der Basis genauer Kenntnis der Untersuchungen zum Hergang der Varusniederlage den Besuch der Standorte
     des Gemetzels sechs Jahre nach dem traurigen Geschehen. Dabei werden die noch sichtbaren Spuren des Kampfes, besonders der
     Zustand der jeweiligen Lager am Ende eines jeden Kampftages, die den Zustand des römischen Heeres im Verlauf der viertägigen
     Katastrophe beschreiben, genauer in Augenschein genommen. Auffällig ist, dass der erste Überraschungsangriff – wiewohl die
     Römer große Verluste hatten – nicht zur Auflösung des Dreilegionenverbandes geführt hatte, denn das Lager am Ende des ersten
     Kampftages zeigte nach Tacitus die Ausmaße von drei Legionen. Das ist wichtig, denn die Maße eines römischen Lagers waren
     immer normiert, der Zahl der Legionen entsprechend.
    Und nun betraten sie die Unglücksstätte, grässlich anzusehen und voll schrecklicher Erinnerungen. Das erste Lager des Varus
     wies an seinem weiten Umfang und der Absteckung des Hauptplatzes auf die

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