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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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für Martergruben er habe herstellen lassen,
     wie er die Feldzeichen und Adler übermütig verhöhnt habe. 14
    Über das Schicksal von Varus’ Leichnam weiß Velleius Paterculus Folgendes:
    Den halbverkohlten Leichnam des Varus rissen die Feinde in ihrer Rohheit in Stücke. Sie trennten sein Haupt ab und sandten
     es zu Marbod. Dieser wieder schickte es zu Caesar Augustus, der ihm trotz allem die Ehre eines Familienbegräbnisses gewährte. 15
     
    |62| Varus’ entscheidender Fehler
     
    Wenn wir die Summe ziehen: Der entscheidende Fehler des Varus war – das ergaben die Untersuchungen des Germanicus sechs Jahre
     nach der Katastrophe –, dass er nach der erfolgreichen Abwehr der Germanen – trotz des Überraschungsmoments, der militärischen
     Schulung der Germanen, der Ortskenntnis und der hohen römischen Verluste – und nach dem Bezug eines voll ausgebauten Marschlagers
     dennoch am nächsten (zweiten) Tag aufbrach und das sichere Lager aufgab.
    Durch den Untergang der drei Legionen waren mit einem Mal alle Errungenschaften der Okkupationsphase und der nachfolgenden
     administrativen Neuordnung im rechtsrheinischen Raum zunichte gemacht. Auch fehlten nun die Truppen, die zur Verteidigung
     des Niederrheins und Galliens in Xanten stationiert waren. Es standen nur noch die Legionen Obergermaniens zur Verfügung,
     die selbst im Innern Germaniens in größter Gefahr waren.
    Was würden die siegreichen Germanen nun machen? In Gallien einfallen? Das hatten etliche Stämme und Stammeseinheiten bereits
     zuvor getan, nur dass sie jetzt einen überlegenen Führer hatten und der Kern ihrer Einheiten militärisch hervorragend gedrillt
     war.

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    |63| Eroberung oder Rückzug – Germanicus versus Tiberius
    N ur in Rom war man nicht heiter,
    Sondern kaufte Trauerkleider.
    Grade als beim Mittagsmahl
    Augustus saß im Kaisersaal,
    Kam die Trauerbotschaft.
     
    Erst blieb ihm vor jähem Schrecken
    Ein Stück Pfau im Halse stecken,
    Dann gerieth er außer sich
    Und schrie: „Varus, Schäme dich!
    Redde legiones
!“ 1
    Die Niederlage des Varus bedeutete noch lange nicht das Ende des rechtsrheinischen Engagements der Römer. Erst im Jahr 17
     n. Chr. wurde mit der Abberufung des Germanicus von großräumigen militärischen Unternehmungen rechts des Rheins Abstand genommen.
    Heftig wird immer noch über die angemessene Interpretation dieses militärischen Rückzugs vor dem Hintergrund der römischen
     Außenpolitik insgesamt und den innenpolitischen Konstellationen in Rom diskutiert.
    Die beliebteste und am häufigsten vertretene Meinung sieht die Konsequenzen aus der Abberufung heimlich gezogen. Daraus sei
     als schwere Hypothek der Politik des Augustus ein unauflöslicher Gegensatz zwischen der Realität der Niederlage in Germanien
     und der Propaganda |64| des unterworfenen Germanien entstanden. Der Historiker Tacitus spießt dieses Missverhältnis mit dem Satz auf:
tam diu Germania vincitur
, „Schon lange wird Germanien besiegt“. 2
    Andere haben dagegen keinen Wandel der politischen Zielsetzungen gegenüber Germanien im Zuge der Abberufung des Germanicus
     feststellen können. Die Konsequenzen aus der Abberufung hätten ohne innenpolitischen Gesichtsverlust des Princeps Tiberius
     offen erfolgen können. Die Kontinuität des übergeordneten Ziels römischer Politik in Germanien, die im Aufbau eines Glacisbereichs
     im rechtsrheinischen Vorfeld bestanden habe, sei in der Person des Tiberius zunächst als Oberbefehlshaber Germaniens seit
     9 n. Chr. und dann in der Position des Princeps kontinuierlich gewahrt gewesen: Es hätten sich vielmehr nur die Mittel seit
     der Abberufung des Germanicus als Oberbefehlshaber der Truppen am Rhein geändert. Mit dem Tod von Arminius im Jahr 21 n. Chr.
     habe die römische Politik in dieser übergeordneten Zielsetzung letztendlich auch Erfolg gehabt.
    Diese Ansicht glättet den offensichtlichen, in den Quellen thematisierten Zielkonflikt zwischen den zwei Oberbefehlshabern
     Tiberius und Germanicus. Deutlich knüpfte Germanicus nämlich an die Eroberungspolitik des Augustus unter dem Oberbefehl seines
     leiblichen Vaters Drusus an und dokumentierte das auch öffentlich: Ganz wie es der Historiker Tacitus in seiner Darstellung
     wiedergibt. Konsequenterweise war auch die Abberufung des Germanicus durch Tiberius und die Rückkehr zur Politik Caesars für
     alle Zeitgenossen politisch deutbar und führte deshalb zu einer Regierungskrise. Tiberius war aber ein starker und

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