Als die Roemer frech geworden
durchsetzungsfähiger
Monarch, der die Wende in der Germanienpolitik anlässlich der Totenehren für Germanicus reichsweit verkündete und die Bevölkerung
darauf einschwor. Erst die Außenpolitik der Nachfolger, die von innenpolitischen Problemen ablenken sollte, führte zu einem
Widerspruch zwischen Realität und Weltherrschaftspropaganda.
|65| Oberbefehl am Rhein für Germanicus
Noch im Jahr 12 n.Chr. war der leibliche Sohn des Drusus und Adoptivsohn des Tiberius, Germanicus, von Augustus zum Oberbefehlshaber
der obergermanischen und untergermanischen Truppen ernannt worden. Sein Kommando gab ihm die Macht über nicht weniger als
acht Legionen, die auf zwei Hauptbasen, in Xanten und Mainz, zusammengezogen waren. Diese Position wurde nur an sehr fähige
Kommandanten und nahe Verwandte bzw. sehr enge Vertraute des Princeps vergeben.
Acht Legionen, das war ein Drittel der gesamten römischen Reichsarmee von (schließlich) 28 Legionen, die vor allem an den
Grenzen oder in unruhigen Provinzen standen, über die der Princeps kommissarisch den Oberbefehl hatte. Das bedeutet, Germanicus
befehligte zusammengenommen etwa 40 000 Legionäre (ohne Hilfstruppen) bei einem durchschnittlichen Nennwert von etwa 5000 Mann pro Legion. Diese Armee war nicht
nur dazu ausersehen, einen wirksamen Schutz gegen die barbarischen Völker östlich des Rheins zu garantieren. Sie gewährleistete
auch Ruhe und Ordnung in den drei gallischen Provinzen – wenn man sich der Treue und Loyalität dieser Truppen sicher sein
konnte.
Der Inhaber des Militärkommandos am Rhein war zugleich der mächtigste militärische Befehlshaber nach dem Princeps selbst,
er hatte eine Schlüsselposition – auch für alle Entscheidungen, die sich in Rom, in der Zentrale, auf der allerhöchsten Ebene
abspielten.
Das sollte sich auch bei der Machtübernahme des Tiberius nach Augustus’ Tod erweisen: Augustus hatte eine Alleinherrschaft
aufgebaut, die ihm persönlich eine konkurrenzlose Stellung unter seinen Standesgenossen im Senat sicherte. Geschickt gelang
es ihm, seine außerordentliche monarchische Macht aus den Kompetenzen der traditionellen Magistrate der republikanischen Staatsform,
die er de facto jedoch auf diese Weise beseitigte, herzuleiten. Dem Anschein nach handelte es sich um eine Verteilung der
Macht zwischen ihm, dem Princeps, und dem Senat: Seine auf die Gebiete außerhalb Roms bezogenen |66| Kompetenzen waren geographisch auf die unbefriedeten Provinzen und zeitlich – immer wieder für zehn oder fünf Jahre verliehen
– begrenzt. Es war eine Konzession an seine republikanisch gesinnten Standesgenossen, dass seine Macht nicht unumschränkt
und dauerhaft war. De facto der Mächtigste, unterwarf sich Augustus damit selbst dem steten Zwang zum Erfolg bei der inneren
Befriedung und beim Schutz nach außen als Kriterium für die Verlängerung seiner „außenpolitischen“ Kompetenzen. Die Leistungen
des Princeps wurden formal durch die traditionellen Institutionen der Republik, Senat und Volk, am Ende einer „Kompetenzperiode“
geprüft und dann eine weitere Verlängerung gewährt.
Der römische Senat
Seit der klassischen römischen Republik (287 bis 133 v. Chr.) war der Senat die zentrale Lenkungsinstitution mit entscheidendem
Einfluss auf die staatlichen Finanzen, die Legislation, die Ämterbestellung, Truppenaushebungen, Kriegsführung und -erklärung.
Rein formal waren die Beschlüsse des Senats nur „Empfehlungen“ (Senatus consulta) an die im Senat sitzenden Magistrate, die
mit dieser Autorität (auctoritas) ausgestattet die Volksversammlungen einberiefen und die Beschlüsse des Senats zur Abstimmung
brachten. In der späten Republik zunehmend an die Seite gedrängt, wurde der Senat formal in allen Funktionen von Augustus
restituiert. In Wirklichkeit verkam der Senat jedoch immer mehr zum Legitimations- und Akklamationsorgan, seine Mitglieder
waren das Reservoir derjenigen, mit denen Augustus und seine Nachfolger das Reich verwalteten, wobei der Senat und die Senatoren
an Bedeutung gegenüber den Mitgliedern des Ritterstandes verloren.
Diese Kriterien, Schutz- und Befriedungsleistung, waren für die Zeitgenossen entscheidend, hatten die Römer sich doch in Jahrzehnten
des Bürgerkrieges nicht nur gegenseitig zerfleischt, sondern dabei noch den ganzen wohlhabenden und blühenden Osten des Römischen
Reiches mit in den Abgrund gerissen. Alle sehnten sich daher
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