Als die Roemer frech geworden
Aufständischen unter Arminius gehalten. Ihm wurde verziehen, als sich Segestes nun samt Familie und Anhang zu
den Römern absetzte, da der Boden für die prorömisch gesinnten Fürsten zu heiß geworden war. Segimer, der Bruder des Segestes,
setzte sich bald danach ebenfalls ab. Segestes brachte auch seine Tochter Thusnelda mit, die Frau des Arminius, die schwanger
war. Diese Aktion machte beide Seiten noch unerbittlicher und förderte den Hass zwischen den kämpfenden Parteien.
Im Sommer holte Germanicus zum großen Schlag gegen die restlichen Koalitionäre aus, nachdem bereits die Marser und die Chatten
hatten Federn lassen müssen. Er selbst fuhr über das Ijsselmeer in die Nordsee und von dort in die Ems ein. Die zweite Heeresabteilung
unter Caecina zog über die unter Ahenobarbus um Christi Geburt angelegten
pontes longi
, einem befestigten Weg, von Xanten zur Ems. Diese beiden Heeresabteilungen sollten sich etwa bei Rheine mit der Reiterei,
die als dritte Gruppe getrennt aufbrach und das Gebiet der Friesen durchzog, nach einem Sternmarsch treffen. Die Flotte fuhr
möglichst weit flussaufwärts, bis in die Höhe von Rheine.
Untersuchung der Varusniederlage
Von dort aus zog das nun vereinte Heer durch das Gebiet der Brukterer am westlichen Ufer der Ems zunächst nach Süden, dann
nach Südosten in das Quellgebiet von Ems und Lippe (s. Abb. auf S. 51). In der Gegend von Paderborn befiel Germanicus nach
der Schilderung des Hauptgewährsmanns Tacitus das unbändige Bedürfnis, die Stätten der Varusniederlage zu besuchen, die sich
von Paderborn aus jenseits des Eggekamms in Richtung Nordwesten erstreckten. In Wirklichkeit bestand ein wesentlicher Teil
seines ursprünglichen Auftrags darin, die Niederlage und den Untergang des Varus gänzlich aufzuklären.
Er ließ die Heeresabteilung unter Caecina Marschtrassen durch das unwegsame Gebiet bis zu den Stätten der Varusniederlage
anlegen. Germanicus folgte mit der Hauptarmee. Dort angekommen, versuchte er nicht nur, den viertägigen Verlauf der Katastrophe
nachzuvollziehen. |79| Er hielt sich länger am Ort der finalen Niederlage auf, um den Toten die nötigen Ehren zu erweisen. Dadurch verlor er Zeit
– und wurde dafür von Tiberius kritisiert.
Wegen seines verlängerten Aufenthalts geriet Germanicus nämlich in Gefahr. Arminius war als Anführer der Koalitionsarmee angerückt,
machte Anstalten, seine bewährte Zermürbungstaktik anzuwenden und verweigerte die offene Feldschlacht. Die Zeit dafür war
„reif“ – im wahrsten Sinne des Wortes –, denn es näherte sich die Herbstsaison mit ihren Stürmen und Regenfällen, die selbst
die ausgebauten römischen Heerstraßen unterspülten und das römische Heer wieder an der schwächsten Stelle, auf dem mühsamen
Rückzug, trafen.
Doch Germanicus kannte die Strategie des Germanenfürsten. So blieb nur eins, ein möglichst schneller Rückzug in die Winterquartiere.
Inzwischen war das römische Heer bis fast zum Ausgangspunkt an der Ems zurückgekehrt, an dem sich die Heeresteile zu Beginn
des Sommers getroffen hatten.
Die Beinahe-Katastrophe des Caecina
Es war nun geboten, die Mannschaften schnell auf die Schiffe zu verfrachten bzw. Caecina einen schnellen Rückmarsch über die
pontes longi
nach Xanten dringend anzuempfehlen – in der Hoffnung, dass die Wege, die man auf dem Hinweg noch nutzen konnte, durch die
Witterung nicht zerstört waren. Doch hier trog die Hoffnung. Caecina befolgte zwar die Anweisungen des Germanicus und suchte
schnell in das Hauptlager Vetera bei Xanten zu gelangen. Bald geriet sein Marsch aber ins Stocken, und daran war nicht primär
das germanische Heer unter Arminius schuld, das ihm dicht auf den Fersen folgte.
Allein aufgrund der Nähe zu den Stätten der Varusniederlage, die sie gerade verlassen hatten, und weil man in derselben Jahreszeit
wieder durch ein germanisches Koalitionsheer unter der Führung des Varusbezwingers attackiert wurde, drängten sich bereits
den Zeitgenossen die Parallelen zu der Katastrophe des Jahres 9 n. Chr. auf. Spätere Berichte des älteren Plinius und des
Tacitus arbeiteten mit dem |80| Vergleich beider Auseinandersetzungen. Auch sachlich bot sich die Beinahe-Katastrophe der Caecina-Armee als mögliche Folie
dafür an, um zu erklären, wann Varus den entscheidenden Fehler begangen hatte.
Dabei war die Ausgangsposition für Caecina wesentlich besser als für Varus: Caecina
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