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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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kannte seinen Gegner und dessen Taktik.
     Das Heer war auf einen Angriff vorbereitet, da Arminius den Römern schon seit Tagen auf den Fersen war. Doch der Vorteil schien
     schnell verspielt. Wie bei Varus war der Heerbann des Caecina vier Tage lang heftigen Angriffen der Germanen ausgesetzt, auf
     schlechten Wegen und unter widrigen Wetterumständen. Die antiken Berichte bemühen gar das Traumbild des Varus, das Caecina
     erschienen sei, als die Situation ausweglos zu sein schien und der Befehlshaber kaum die eigenen Truppen davon abhalten konnte,
     die stark beschädigten, wenn auch noch schützenden Wälle des Lagers zu verlassen und das Heil in der Flucht zu suchen. Das
     hatte Varus versucht und war gescheitert.
    Caecina beging diesen Fehler nicht: Er harrte gegen alle Widerstände in den eigenen Reihen aus. So waren es die belagernden
     Barbaren, die die Geduld verloren. Arminius zog gegen den konkurrierenden Fürsten Inguiomerus den Kürzeren. Dieser hielt die
     Römer bereits für demoralisiert und besiegt. Deshalb wollte er ihnen in einem letzten Ansturm auf ihr halbzerfallenes Lager
     den Gnadenstoß versetzen. Als sich die Germanen beim Sturm auf das Lager im Wall und den Palisaden des Marschlagers festgebissen
     hatten, konnte Caecina einen Ausfall wagen und die Germanen schlagen und zurücktreiben.
    Am Ende des vierten Tages glaubte in Xanten schon keiner mehr, die Ankunft der Truppen des Caecina erhoffen zu dürfen. Die
     schlimmsten Gerüchte kursierten, dass das Korps völlig aufgerieben sei. Schon wollten viele die Brücken über den Rhein aus
     Furcht vor den nachstürmenden Germanen zerstören, allein die Frau des Germanicus, Agrippina, behielt die Nerven und hielt
     die Soldaten von überstürzten Handlungen ab. Und sie sollte Recht behalten. Die Reste der Caecina-Armee kamen noch an diesem
     Tag in Xanten an und wurden von Agrippina in Empfang genommen. Germanicus selbst traf mit der zweiten Heeresgruppe auf den
     Schiffen wenig später ein.
    |81| So erfolgreich Caecina bei der Bewältigung der Krise gewesen war, es konnte nichts darüber hinwegtäuschen, dass die Römer
     nicht aus eigener Kraft glücklich zurückkehrten. Erst die Uneinigkeit der germanischen Führung und die Abkehr von der einzig
     Erfolg versprechenden Strategie des Arminius konnten die Römer wieder hoffen lassen. Die Konsequenzen aus dieser Erfahrung
     müssen bei der Einschätzung der Chancen einer Eroberung und damit bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben, die schließlich
     zur Aufgabe jeglicher Eroberungspläne führte. Germanicus jedoch schien derartige Überlegungen, die in Rom angestrengt wurden,
     zu ignorieren.
     
     
    Arminius und Flavus
     
    Im Sommer des Jahres 16 n. Chr. ging Germanicus gegen den Hauptgegner, die Cherusker, vor. An der Weser kam es dabei zu einer
     denkwürdigen Begegnung. Es handelt sich um eine Unterhaltung der beiden Brüder Arminius und Flavus. Der eine war Führer des
     germanischen Widerstands, der andere war im römischen Heer geblieben.
    Die Unterredung erfüllt in der differenzierten Darstellung des Tacitus ein übergeordnetes Ziel. Das Gespräch zeigt das Dilemma,
     in dem Söhne einflussreicher Familien germanischer Stämme stehen konnten. Der römische Herrschaftsanspruch war Herausforderung
     und Verlockung zugleich. Er riss nicht nur militärisch tiefe Wunden im rechtsrheinischen Gebiet: Familien wurden gespalten,
     schnell verschwammen die Fronten, und Verwandte bekämpften sich bis aufs Blut auf beiden Seiten. So kam es auch in dieser
     Unterredung zu einem heftigen Wortwechsel über Grundsätzliches:
    Der eine sprach von der Größe Roms, von der Macht des Caesar und der schweren Bestrafung, welche die Besiegten zu erwarten
     hätten, während dem, der sich unterwerfe, Milde zuteil werde. Weder seine Gattin noch sein Sohn würden als Feind behandelt.
     Der andere sprach von der heiligen Pflicht gegenüber dem Vaterland, von der von den Vätern ererbten Freiheit, von den heimischen |82| Göttern Germaniens, von der Mutter, die sich seinen Bitten anschließe. Er solle nicht zum abtrünnigen Verräter an seinen ferneren
     und näheren Verwandten, ja an seinem eigenen Volke, vielmehr dessen Heerführer werden.
    Dann kam es allmählich zu einer richtigen Zänkerei, und nicht einmal der Fluss, der sie trennte, hätte sie daran gehindert,
     miteinander handgemein zu werden, wenn nicht Stertinius herbeigeeilt wäre und Flavus, der wutentbrannt Waffen und ein Pferd
     forderte,

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