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Als die Roemer frech geworden

Titel: Als die Roemer frech geworden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Dreyer
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in der Diplomatie große
     Erfahrung gesammelt hatte, verfolgte Prinzipien, die er auch als Herrscher für die Innenpolitik verwenden sollte: das Konzept
     des
plura consilio quam vi perficere
. 14 Nach diesem Prinzip bewertete Tiberius auch den späteren Erfolg gegenüber Marbod, der mehr „mit Geduld und Augenmaß als mit
     Waffengewalt“ errungen worden sei. 15 Die damit verbundene, so tief in der römischen Tradition verwurzelte Maßhaltung führte dann auch in den Jahren zwischen 17
     und 20 n. Chr. zu der Einsicht, auf die direkte Okkupation Germaniens zu verzichten und bei dieser Gelegenheit innenpolitisch
     seine „Richtlinienkompetenz“ wahrzunehmen.
    Ein Problem harrte aber noch der Lösung, das verlangte nicht nur die römische Öffentlichkeit, sondern sie war auch sachlich
     gefordert, |74| um eine angemessene Bewertung der Chancen dauerhafter Präsenz Roms im rechtsrheinischen Raum zu ermöglichen: die Untersuchung
     der genauen Umstände der Varuskatastrophe. Die Stätten dieser Katastrophe lagen allerdings weit weg von den herkömmlichen
     „Trassen“, welche die Römer vor 9 n. Chr. nutzten, tief im rechtsrheinischen Raum.
     
     
    Ein Eroberer wie Alexander
     
    Die Erfüllung dieser Aufgabe kam den Vorstellungen von Tiberius’ Nachfolger im Oberkommando, Germanicus, entgegen. Nach der
     Übernahme des Oberbefehls 12 n. Chr. ging er sofort daran, einen Eroberungsfeldzug großen Stils vorzubereiten. Diese Auslegung
     der allgemeinen Direktiven des Augustus ist auf Germanicus selbst zurückzuführen. Seine Pläne waren lediglich durch den Regierungswechsel
     und die Meuterei im Jahr 14 aufgehalten worden. Die Eroberungen der Jahre 15 und 16 n. Chr. hatten eine eigene Qualität.
    Erneut und wie 25 Jahre zuvor waren alle Gebiete rechts des Rheins bis zur Elbe römisches Aufmarschgebiet. Ganze Stammesgruppen
     wurden ausgerottet oder deportiert. Hier ging es nicht in erster Linie um Sicherung, Rache für Varus oder Untersuchung der
     Ka-tastrophe des Jahres 9 n. Chr., sondern um Unterwerfung oder Vernichtung.
    Germanicus dachte in den Linien der Politik seines leiblichen Vaters. Drusus hatte die Eroberung Germaniens zwischen Rhein
     und Elbe im Auftrag des Augustus zwischen 12 und 9 v. Chr. geleitet. Dabei hatte er sich bewusst in die Eroberertradition
     Alexanders des Großen gestellt.
    Wie Alexander und Drusus baute Germanicus Siegesdenkmäler,
tropaia
, wie Alexander und Drusus ließ er sich von einem unbändigen Gefühl zu großen, nahezu übermenschlichen Aufgaben und Taten
     hinreißen, wie Alexander riss er mitten im Schlachtgetümmel unter Lebensgefahr, wenn die Sache auf des Messers Schneide stand,
     den Helm vom Kopf, um die eigenen Soldaten zu motivieren, das Letzte |75| zu wagen. 16 Dahinter stand der Wille, es dem leiblichen Vater gleichzutun. Er wollte der Eroberer Germaniens sein und sich nicht auf
     die Aufgaben beschränken lassen, die vielleicht Augustus, in jedem Fall aber Tiberius ihm zumaß.
    Aber nicht nur im Krieg und beim Heerzug führte sich Germanicus wie ein hellenistischer Fürst in der Nachfolge Alexanders
     auf, der sich durch den Erfolg als „Retter und Beschützer“ zu qualifizieren und Herrschaft und Einfluss zu sichern trachtete.
     Er tat sich durch Milde bei der Meuterei der Soldaten 14 n. Chr. hervor und schuf sich systematisch eine Heeresklientel, indem
     er sich für die Belange der einfachen Soldaten empfänglich zeigte. Nach der Katastrophe der Flotte im Jahr 16 n.Chr. ersetzte
     er den Soldaten die Verluste aus eigener Kasse. In gleicher Weise inszenierte er im Sommer desselben Jahres seinen Sieg bei
     Idistaviso und am Angrivarierwall mit einem eigenen Siegesdenkmal, auf dem folgende Aufschrift stand:

    Nach der völligen Niederwerfung der Stämme zwischen Rhein und Elbe hat das Heer des Tiberius Caesar dieses Denkmal dem Mars
     und Jupiter und Augustus geweiht. 17
    Ganz dem Text des Siegesdenkmals entsprechend sah sich Germanicus immer als loyaler Feldherr seines Adoptivvaters und Kaisers
     – auch bei seinem Triumph im Mai 17: 18 als Eroberer Germaniens.
     
     
    Buhlen um Sympathien
     
    Doch warum sollte er ein Kommando durch Popularität sichern, das nur formal der Ermächtigung des Volkes unterlag, für das
     in Wirklichkeit die Auswahl des Kaisers Voraussetzung war? Die Werbung um Popularität macht nur Sinn, wenn Germanicus mehr
     als nur Erfolg im Kommando intendierte.
    Dass er mehr wollte, wurde vollends offenbar durch sein Verhalten auf der

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