Als die Roemer frech geworden
gallisch-germanischen Raum.
Das dritte Germanienkommando des Tiberius
Beide, Germanicus und Tiberius, hätten sich in der Auseinandersetzung um die rechte Germanienpolitik auf den Divus Augustus
beziehen können und haben es wohl auch getan. Tiberius hat sich in jedem Fall mit der zwischen 17 und 20 n. Chr. vollzogenen
Wende in der Germanienpolitik ganz in der Tradition seines Adoptivvaters gesehen.
Doch auch vor 14 n. Chr., vor dem Tod des Augustus, war eine unterschiedliche Auslegung der allgemeinen Direktiven für Germanien
möglich. Zu sehen ist dies an der Ausführung des Germanienkommandos des Tiberius 10 bis 12 n. Chr. 10 und des Germanicus von 12 bis 16 n. Chr. 11 Ein Blick auf die Vorstellungen der beiden Oberbefehlshaber zwischen 10 und 16 n. Chr. ist daher lohnenswert. Das führt uns
zurück in den Herbst des Jahres 9 n. Chr.:
Der Oberbefehlshaber der oberrheinischen Legionen, Asprenas, hatte seine Armee, als Varus mit der niedergermanischen Armee
untergegangen war, gerade noch nach Mainz retten können.
|72| L. Asprenas [...] war Legat unter seinem Onkel Varus gewesen und hatte durch sein tapferes, mannhaftes Verhalten das aus zwei
Legionen bestehende Heer, das er befehligte, unversehrt aus der großen Katastrophe gerettet. Und indem er in Eilmärschen in
die Winterquartiere Germaniens zog, bestärkte er die diesseits des Rheines wohnenden Völker, die schon schwankend geworden
waren, in ihrer Treue. 12
Zwei Legionen reichten aber nicht zur Verteidigung der Rheingrenze, die man jetzt bedroht glaubte. Überall wurden die Reserven
einberufen, die Germanen aus der Leibwache des Princeps in Rom sicherheitshalber entlassen. Die drei verlorenen Legionen wurden
durch sechs neue ersetzt. Die Namen und Ordnungszahlen der unglücklichen Legionen (XVII, XVIII und XIX) wurden allerdings
nicht mehr vergeben – und ein neuer Oberbefehlshaber wurde eingesetzt: Tiberius.
Tiberius hatte sich insbesondere in drei Germanienkommandos als zuverlässig, treu und fähig erwiesen. Vor 9 n. Chr. war sein
Aufgabenfeld fest umrissen: die Eroberung und Befriedung der
Germania Magna
, des rechtsrheinischen Germaniens. Nach 9 n. Chr. existierte dieser Befehl zumindest in dieser Form nicht mehr.
Vor allem galt es zunächst, die Grenze zu sichern, doch es ist bezeichnend, wie Tiberius diesen Auftrag ausführte: mit einer
vorsichtigen, auf Sicherung und Maßhaltung bedachten, Schritt für Schritt vorgehenden Kriegsführung. Diese verzichtete auf
spektakuläre Eroberungen, indem sie betont den Fehler des Varus vermied, der die Germanen als willige Untertanen wähnte. Tiberius
verringerte den Tross, vermied Einzelkämpfe, blieb auf den ausgebauten Verkehrswegen und stellte neue Regeln auf, damit die
Kommunikationswege auf der Kommandoebene auch in Extremsituationen bestehen blieben.
Tiberius selbst ist mit Heeresmacht sechs Monate nach der Katastrophe in rechtsrheinisches Gebiet vorgedrungen, wobei er den
notorischen Schwachpunkt römischer Armeen im rechtsrheinischen Gebiet, die Phase des Rückzugs am Ende einer Feldzugsperiode
zeitlich einzuschränken suchte.
|73| So überschritt er seinerseits mit dem Heer den Rhein und trug den Krieg ins Land des Feindes, während sein Vater und sein
Vaterland sich mit der Abwehr begnügt hatten. Er drang ins Landesinnere ein, legte Marschtrassen frei, verwüstete die Äcker,
brannte die Häuser nieder, schlug alle, die sich ihm entgegenstellten, und kehrte, mit Ruhm bedeckt und ohne jeglichen Verlust
bei seinen Truppen, die er über den Rhein geführt hatte, ins Winterlager zurück. [...] Mit der gleichen Tatkraft und dem Kriegsglück
wie zu Anfang drang der Imperator Tiberius in der folgenden Zeit in Germanien ein. Er brach die Macht des Feindes durch Kriegszüge
mit der Flotte und mit dem Landheer, ordnete die schwierigen Verhältnisse in Gallien [...]. Tiberius kehrte daraufhin nach
Rom zurück und feierte einen längst verdienten, aber durch die dauernden Kriege verzögerten Triumph über die Pannonier und
Dalmatier. 13
Doppeltes Ziel: Sicherung und Aufklärung
Vorerst war die Zielsetzung, die Rheingrenze zu sichern, übergeordnet. Daher sollte auch ein Vorfeld im rechtsrheinischen
Gebiet abgesichert werden. Diesem Ziel, das auch schon Caesar verfolgt hatte, dienten die vorsichtigen rechtsrheinischen Expeditionen
des Tiberius. Der Feldherr und Germanienkenner, der nicht nur auf dem Kriegsschauplatz, sondern auch
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