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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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sogar ziemlich hübsch sein können. Aber sie bewegte sich, als wäre ihr Körper ein wenig zu groß für sie, die Schultern meist ein kleines Stück hochgezogen und die Hände in den Taschen vergraben, als wüsste sie nicht, wohin damit. Sie versteckte sich im Schatten ihrer selbstbewussten Freundinnen, bis sie fast zwischen ihnen verschwand – und genau diese Eigenschaft war es, die Gabriel faszinierte, seit er sie zum ersten Mal durch Zufall entdeckt hatte. Ein wenig beneidete er sie sogar darum. Wie oft wäre er selbst gern einfach verschwunden? Es gelang ihm nie. Sie hingegen war eine Meisterin in dieser Disziplin.
    Doch diesmal stimmte etwas nicht.
    Er sah sie nicht oft, gerade weil sie so gut darin war, sich unsichtbar zu machen. Heute aber hatte sie etwas an sich, das seinen Blick anzog, ohne dass er es wollte. Wie ein weißer Flusen auf einem schwarzen Hemd oder ein Spritzer Soße am Kinn. Etwas, was dort einfach nicht hingehörte, aber ohne dass er erkennen konnte, was es war. Gleichzeitig vermochte er die Feen, die ihr sonst in ihrem Schatten folgten, nicht mehr deutlich zu sehen. Als würden diese sich vor ihm verstecken. Es verursachte ein seltsames Prickeln in Gabriels Nacken.
    Unwillkürlich musste er an das Bild denken, das er in der letzten Nacht begonnen hatte. Damit war es ähnlich. Die Farben flossen beinahe von selbst auf die Leinwand– aber selbst nach mehreren Stunden Arbeit konnte er noch immer nicht erkennen, was es später einmal darstellen würde. Nur dass es düster war, konnte er schon nach den ersten Pinselstrichen sehen. Doch das half nicht viel. Es war schließlich nicht so, dass er jemals ein fröhliches Bild gemalt hätte.
    Gedankenverloren sah er den Mädchen nach, wie sie im Schulgebäude verschwanden, selbst als sie schon längst nicht mehr zu erkennen waren. Auch für ihn wurde es allmählich Zeit, hineinzugehen. Das erste Läuten lag bereits einige Minuten zurück. Aber Gabriels Lehrer waren sein Zuspätkommen mittlerweile gewöhnt. Sie hatten es aufgegeben, ihn ändern zu wollen. Er konnte also ebenso gut noch ein paar weitere Minuten nachdenken.
    Gabriel nahm eine Handvoll Neuschnee von einem Busch am Rand des Schulhofs und verrieb ihn zwischen den Fingern. Die feinen Kristalle verfingen sich in der dunklen Wolle seiner Handschuhe. Er konnte nicht sagen, warum, aber dieser seltsame Fleck, den er an dem Mädchen bemerkt hatte, machte ihm Sorgen. Er hatte das Bedürfnis, sie zu warnen– aber das war Unsinn, solange er nicht wusste, wovor.
    Vielleicht kam er darauf, wenn er sie weiter beobachtete.
    Vielleicht war er klüger, wenn das Bild fertig war.
    Vielleicht hatte das eine mit dem anderen aber auch überhaupt nichts zu tun.
    Gabriel seufzte und klopfte die Hände an seiner Hose ab. Grübeln würde ihn ja doch nicht weiterbringen. Besser, er ging jetzt erst einmal zum Unterricht. Um alles andere konnte er sich später kümmern.
    Zu Beginn der Mittagspause entdeckte er sie erneut, als sie gerade das Schulgelände verließ.
    Gabriel handelte kurzentschlossen. Er war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war, ihr zu folgen. Trotzdem tat er es, auch wenn er dafür Nils und Henrik ohne eine weitere Erklärung stehen lassen musste. Aber darum machte er sich keine Sorgen. Seine Freunde waren exzentrisches Verhalten von ihm gewöhnt, und er durfte das Mädchen nicht aus den Augen verlieren.
    Sie ging zu Fuß in Richtung Sternschanze – nach Hause vielleicht, vielleicht aber auch irgendwohin, wo sie allein war. Je länger Gabriel ihr folgte, desto sicherer wurde er, dass sie auf keinen Fall den direkten Heimweg eingeschlagen hatte. Sie trottete mit gesenktem Kopf scheinbar planlos durch die Straßen des Schanzenviertels, ohne jemals irgendwo anzuhalten, ging sogar nach einigen Umwegen fast vor Gabriels Haustür vorbei – und stieg schließlich an der Sternschanze in die S-Bahn. Das war der Moment, in dem Gabriel es aufgab, ihr zu folgen. Sie hätte ihn auf jeden Fall bemerkt, und das wollte er nicht riskieren. Noch nicht.
    Eine Weile noch stand er am Bahnsteig, dann wandte er sich um und schlenderte die Straße wieder hinauf. Die Wolkendecke war aufgerissen und die Luft klirrend kalt. Die Sonne glitzerte auf den Schneeresten, die nicht Schuhen oder dem Winterdienst zum Opfer gefallen waren.
    Gabriel atmete tief durch. Die Mittagspause war bald vorbei. Er würde es nicht rechtzeitig zum Nachmittagsunterricht zurück in die Schule schaffen und er hatte auch keine große Lust

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