Als die schwarzen Feen kamen
Wange, spürte die feinen Konturen seines Gesichts unter dem Stoff der Maske.
» Bitte geh«, flüsterte sie. Noch nie hatten so wenige Worte sie so viel Kraft gekostet. » Für mich.«
Sie sah, wie sein Blick sich verdunkelte. Er wusste, dass sie es ernst meinte. Und er würde gegen ihren Wunsch keinen Widerstand leisten. Niemals. Kräftige Finger griffen nach ihren Schultern, umfassten sie so hart, dass es fast schmerzte, und für endlose Momente war es, als wären sie allein im Raum, allein auf der Welt.
Es tat weh.
Sie wollte ihn nicht gehen lassen.
Aber sie durfte sich keine Schwäche erlauben. Nicht, solange die Feen zusahen.
Endlich ließ der Maskierte die Hände sinken und wandte sich ab. Seine Stiefel verursachten kaum ein Geräusch, als er zur Tür ging. Und er sah sich nicht noch einmal um.
Lea biss sich auf die Lippe und drängte die Tränen ein letztes Mal zurück. » Danke«, wisperte sie. Aber das Wort ging unter im Singen der Feenflügel. Dann war der Maskierte fort– und im gleichen Moment, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, fühlte Lea, wie etwas in ihr zerbrach.
Quälend langsam wandte sie den Kopf, um wieder die Feen anzusehen. Sie hatten sich endlich auf den Möbeln niedergelassen und beobachteten sie. Abwartend. Lauernd. Das Rascheln ihrer Flügel war verklungen und ließ nur ein leises Pfeifen in Leas Ohren zurück.
Mit matten Schritten ging sie durch den nun leeren Raum zum Bett hinüber und ließ sich daraufsinken.
» Er ist gegangen«, sagte sie müde. Ihre Stimme war ebenso schwer wie ihre Glieder. Sie würde einfach weitermachen, dachte sie. So wie immer. Und wenn sie aufwachte, würde der Maskierte zurück sein und Marie wäre fort. Für immer. Der Gedanke füllte sie mit einer seltsamen Leere, aber es kümmerte sie nicht mehr. » Wie ihr es wolltet. Ihr könnt mich jetzt benutzen.«
Wie auf ein Stichwort erhoben sich die Feen erneut in die Luft. Das Rauschen ihrer Flügel erfüllte das Zimmer, und Lea schloss ergeben die Augen.
Doch die nadelfeinen Bisse, die sie erwartet hatte, blieben aus. Stattdessen färbte im nächsten Augenblick ein gleißendes Licht die Dunkelheit hinter ihren Lidern in beißendes Rot. Brennende Hitze schlug über ihr zusammen. Erschrocken riss Lea die Augen auf und presste im nächsten Moment die Hände vor ihr Gesicht, um sich gegen die grelle Helligkeit zu schützen. Ein vielstimmiges Keuchen jagte einen eisigen Schauer über ihre Haut, der sie trotz der Glut des unheimlichen Lichts innerlich gefrieren ließ. Die Haare auf ihren Armen richteten sich kribbelnd auf. Dann verblasste das Licht so schnell, wie es gekommen war, und Lea wagte vorsichtig, zwischen ihren Fingern hindurchzublinzeln.
Die Feen waren verschwunden, und an ihrer Stelle standen drei Frauen mit weißer Haut und silbrigen Haaren. Ihre Gesichter glichen sich bis ins letzte Detail und waren fast überirdisch schön. Doch die nachtschwarzen Augen ohne Iris oder Pupillen beobachteten Lea mit starrem Feenblick. Ihre Lippen teilten sich leicht und entblößten spitze Zähne, jeder einzelne wie eine winzige Klinge in einem schwarzen Rachen. Sehnige weiße Hände mit blutunterlaufenen Fingernägeln streckten sich nach dem Mädchen auf dem Bett aus. Nein. Heute nicht. Diese Nacht ist besonders.
Lea keuchte erschrocken auf und wollte zurückweichen, sich in eine Ecke des Zimmers flüchten, so weit es ihr möglich war. Aber die Furcht, die bei dem Anblick dieser Gestalten wie eisiges Wasser durch ihren Körper floss, lähmte sie.
Die Feen glitten näher heran. Sie schienen den Boden nicht einmal zu berühren, und auch die Matratze bewegte sich kaum, als sie sich neben Lea auf dem Bett niederließen. Schlanke Arme umfingen sie und scharfe Fingernägel kitzelten die Haut an ihrem Hals und ihren Wangen. Der süßlich-schwere Feengeruch hüllte sie ein wie eine Wolke und betäubte ihre Sinne.
Keine Angst, Prinzessin. Wir werden dieses Mal bei dir bleiben. Wir wachen über dich, bis der Prinz zurückkehrt.
Lea war wie versteinert. Sie konnte sich nicht rühren, sich nicht wehren oder sprechen, obwohl alles in ihr schrie, dass sie fliehen musste. Was auch immer die Feen vorhatten, es war ein Fehler gewesen, den Maskierten fortzuschicken, das erkannte sie jetzt mit schrecklicher Gewissheit. Genau das hatten sie gewollt– dass Lea ihnen allein ausgeliefert war. Würden sie dem Maskierten vielleicht sogar etwas antun? Nein, das durften sie nicht! Und trotzdem würde genau das geschehen.
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