Als die schwarzen Feen kamen
um sie zu berühren. Das Rauschen ihrer Flügel ließ die Luft erzittern. Der Maskierte hinter Lea hatte sich wachsam aufgerichtet. Auch er spürte, dass etwas nicht stimmte.
Wir kommen, um dich zu warnen. Die körperlose Stimme der Feen zog wie ein frostiger Windhauch an ihnen vorbei, und Lea schob die Hände unter ihre Achseln, um sich vor der Kälte zu schützen.
» Warnen? Wovor?« Sie bemühte sich, die Feen nicht merken zu lassen, wie nervös ihre Gegenwart sie machte, aber so ganz gelang es ihr nicht. Sie zitterte am ganzen Körper vor Kälte.
Das Gleichgewicht ist gestört. Die Stimme der Feen zischelte, kroch durch ihren Kopf und verursachte einen drückenden Schmerz hinter ihrer Stirn. Die Königin wird die Stadt betreten.
Lea versuchte der Stimme auszuweichen und machte einen Schritt rückwärts, bis ihr Rücken die Brust des Maskierten berührte und sie seine tröstliche Wärme spüren konnte. Was hatte das zu bedeuten? Etwas in den Worten der Feen verursachte ihr ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend. Die Königin? Säure stieg ihre Kehle hinauf, und ihr wurde übel. Konnte damit etwa Marie gemeint sein? Wussten die Feen, dass Lea mit ihr gesprochen hatte?
Sie wird das Tor schließen. Du musst sie aufhalten. Die Feenstimmen klangen nun aufgeregt und schrill. Sie stach in Leas Ohren. Das Tor schließen? Etwas in ihrer Brust verkrampfte sich schmerzhaft. Ja, sie hatte recht gehabt mit ihrer Befürchtung. Es konnte nicht anders sein. Die Feen mussten Marie meinen. Sie kam, um ihre Welt vor einem weiteren Eindringen der Feen zu bewahren. Niemand sonst würde die Kraft dazu haben. Aber wie? Wie konnte sie aus dem Jenseits hierherkommen? Ohnmächtige, zornige Angst begann in Lea zu brodeln. Nein, das durfte nicht passieren. Sie durfte das nicht zulassen. Das Tor musste offen bleiben! Auch wenn sie sich dafür ein zweites Mal mit den Feen verbünden musste.
» Wie?« Ihre Stimme zitterte, dass sie kaum einen Ton herausbekam. » Was kann ich tun?«
Das Pfeifen und Rauschen der Flügel wurde lauter, als die Feen wild zu flattern begannen. Schick deinen Krieger. Seine Klinge wird sie zum Schweigen bringen.
Lea spürte, wie der Maskierte hinter ihr erstarrte. Sie warf einen Blick hinauf in sein angespanntes Gesicht und las darin dieselbe Furcht, die auch ihr selbst bei den Worten in die Glieder gefahren war. Sie sollte ihn wegschicken? Er sollte ihre Seite verlassen? Lea schluckte mühsam. Seit mehr als zehn Jahren war sie nicht eine Minute lang von ihm getrennt gewesen, nicht weiter als durch eine Tür in den angrenzenden Raum.
Sie darf den Turm nicht erreichen. Die Stimme der Feen zischte und pfiff in ihren Ohren. Wenn sie dir begegnet, wirst du sterben. Der Krieger muss sie aufhalten.
Sterben. Kälte durchströmte Lea. Sie kniff die Lider zusammen, bis weiße Flecken durch die Dunkelheit dahinter tanzten. Sie hatte das Gefühl, als würde sich ein Fels auf ihre Brust legen. Sie verstand plötzlich mit erschreckender Klarheit: Sie würde sterben, wenn sie Marie traf. Dadurch also würde das Tor sich schließen. Mit ihrem Tod würde es verschwinden. Die Obsidianstadt würde in alle Ewigkeit verschlossen bleiben, erneut von allem Leben abgeschottet. Und der Maskierte… was würde aus ihm werden? Würde auch er sterben? War es wirklich ihre einzige Chance, wenn sie ihn jetzt fortschickte, um sich Marie entgegenzustellen und dieses unwiderrufliche Ende zu verhindern? Aber wenn ihm nun etwas zustieß, während er versuchte, ihr Leben zu retten! Wie sollte sie selbst dann weitermachen?
Nein, dachte Lea und schluckte die Tränen hinunter, die ihr schon wieder in die Augen steigen wollten. Ihm würde nichts zustoßen. Ihm konnte nichts zustoßen. Er war stark und klug, und er würde nicht zulassen, dass sie allein zurückblieb. Sie musste ihm vertrauen. Und Marie durfte nicht hierherkommen, nicht um alles in der Welt. Denn wenn sie wirklich Leas Spiegelbild war, dann würde sie ebenso entschlossen sein, ihre eigene Welt zu retten, wie Lea die ihre retten wollte. Sie würde alles tun, was nötig war, um das Tor zu schließen und die Obsidianstadt endgültig zum Sterben zu verdammen. Der Maskierte musste sie aufhalten.
Sie hob den Blick und sah ihrem treuen Begleiter fest in die Augen, während sie versuchte, das Wispern in ihrem Kopf zu ignorieren, das ihr sagte, dass sie trotz allem die falsche Entscheidung traf. Sie durfte der Angst nicht nachgeben. Mit zitternder Hand strich sie sanft über seine
Weitere Kostenlose Bücher