Als die schwarzen Feen kamen
Fenster.
Es war so schön, dachte Marie und fühlte nun doch Tränen in ihren Augen brennen, dass sie jedes Mal wie eine lange vermisste Freundin begrüßt wurde, wenn sie herkam. Hier war alles hell und freundlich, hier war sie sicher. Sogar die Feen waren endlich verstummt. Aufatmend ließ sie sich in ihre gewohnte Ecke auf dem cremefarbenen Sofa sinken. Auf dem niedrigen Tisch standen bereits eine Kanne Tee und eine Schale mit Keksen.
» Also.« Dr. Roth schloss die Tür und setzte sich zu ihr. » Was hast du auf dem Herzen?«
Er fragte nicht, warum sie so früh die Schule verlassen hatte. Und auch nicht, warum sie nicht selbst angerufen hatte. Er wartete einfach ab, was sie ihm von selbst bereit war zu erzählen. Marie war ihm unendlich dankbar dafür.
Sie holte tief Luft. » Also… Es ist so, die… die Feen lassen mich nicht mehr in Ruhe.« Die Worte kamen nur sehr widerwillig über ihre Lippen, und sie spürte, wie ihre Stimme wieder leicht zu zittern begann. Aber die Schatten über ihrem Blickfeld hielten sich weiter von ihr fern, und auch die Stimmen kehrten nicht zurück. Zumindest nicht für den Augenblick. » Ich sehe sie jetzt auch tagsüber, sie folgen mir überall hin. Ich will das nicht mehr. Ich will, dass sie verschwinden, und ich weiß nicht, wie!«
Dr. Roth runzelte nachdenklich die Stirn. In seinen blauen Augen sah Marie ehrliche Sorge.
» Du siehst sie tagsüber? Kannst du das genauer beschreiben?«
Marie schluckte. Sofort tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild von ihrer Mutter auf, wie die geflügelten Schemen sich auf ihrer Haut bewegten. Ihre Hand ballte sich zur Faust, und sie brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder etwas sagen konnte.
» Meiner… Mutter geht es nicht gut.« Ihre Stimme zitterte, aber sie zwang sich, weiterzusprechen. » Sie ist seit gestern krank, und jetzt… immer wenn ich sie ansehe, sind da Schatten auf ihrer Haut, die wie die Feen aussehen. Ich höre sie lachen, sie verfolgen mich, sie sind immer da…« Marie presste die bebende Faust auf die Brust. » Ich will, dass sie wieder dahin gehen, wo sie hergekommen sind. Mein… mein Vater hätte gesagt, ich muss sie mit einem Lachen erschrecken, aber ich kann nicht mehr lachen, verstehen Sie das?«
Marie hielt inne. Die Worte waren einfach aus ihr herausgebrochen, ohne dass sie selbst gewusst hatte, dass sie in ihr waren. Das klang vollkommen irre, dachte sie verzweifelt. Würde der Therapeut sie jetzt für verrückt halten? Bestimmt würde er das und bestimmt hatte er recht. Sie wurde wahnsinnig und sie konnte nichts dagegen tun.
Aber Dr. Roth nickte nur langsam. » Ja, ich verstehe.« Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Marie hörte das leise Kratzen der winzigen Bartstoppeln an seiner Handfläche. Aus irgendeinem Grund, den sie selbst nicht recht nachvollziehen konnte, beruhigte sie das Geräusch. Es vertrieb einen Teil des hektischen Zuckens, das wild in ihrem Magen rumorte, und beruhigte das nervöse Pochen in ihrer Kehle.
» Weißt du, Lea Marie, ich habe in den letzten Tagen schon so einige Male über dich und deine Feen nachgedacht.« Dr. Roth betrachtete sie ernst. » Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass meine Idee vielleicht gar nicht so schlecht war. Siehst du, es ist offensichtlich, dass diese Feen etwas mit deiner Kindheit zu tun haben. Vielleicht gibt es noch mehr Geschichten aus deiner Kindheit, die im Lauf der Jahre in Vergessenheit geraten sind. Und solche Erinnerungen können oft durch Hypnose wieder aktiviert werden.«
Marie sah ihn aus großen Augen an. Hypnose? Davon hatte sie bisher nur in Büchern oder Filmen etwas gehört, und da war es ihr jedes Mal irgendwie unheimlich vorgekommen, wie böse Magie, die die Opfer zu willenlosen Marionetten machte. Etwas, das es im wirklichen Leben zum Glück nicht gab.
Dr. Roth lächelte. Offenbar war ihrem Gesicht deutlich anzusehen, was in ihrem Kopf vor sich ging. » Das ist nichts, wovor du dich fürchten musst. Es ist nur eine Methode, die uns helfen kann, dich für eine Weile so zu entspannen, dass wir dein Unterbewusstsein direkt ansprechen können. Du bist hier ganz in Sicherheit, vergiss das nicht. Dir kann nichts passieren. Das Wichtigste ist, dass du selbst damit einverstanden bist.«
Marie nickte zögernd. Natürlich glaubte sie nicht, dass Dr. Roth sie verhexen oder ihr Böses wollte. Und wenn es ihr helfen konnte, wollte sie es natürlich versuchen. Ein bisschen mulmig war ihr aber trotzdem zumute.
Der Therapeut schenkte ihr
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