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Als die schwarzen Feen kamen

Als die schwarzen Feen kamen

Titel: Als die schwarzen Feen kamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Beer
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Tee nach und reichte ihr die Tasse. » So eine Hypnose ist im Grunde ein ganz normaler und natürlicher Zustand, den du sicher schon oft erlebt hast, ohne es zu wissen«, erklärte er ruhig. » Du liest doch gern, hast du erzählt.«
    Wieder nickte Marie, auch wenn sie nicht ganz nachvollziehen konnte, worauf der Doktor hinaus wollte.
    » Siehst du, und sich in ein gutes Buch zu vertiefen, ist eigentlich nichts anderes als ein Trancezustand, wie wir ihn bei der Hypnose erreichen wollen«, fuhr Dr. Roth fort. » Die Welt um dich herum wird ausgeblendet, die Zeit verstreicht, ohne dass du es merkst, und deine ganze Aufmerksamkeit ist nur auf die Geschichte fixiert. Und genau das machen wir bei der Hypnose auch. Nur, dass es diesmal um deine eigene Geschichte geht.«
    Erstaunt sah Marie ihn an. So harmlos war das mit der Hypnose also? Sie konnte es sich immer noch nicht richtig vorstellen. Aber wenn Dr. Roth es sagte, würde es schon stimmen. Sie vertraute ihm absolut.
    Der Therapeut neigte sich ein Stück vor und musterte sie aufmerksam. » Allerdings kann man vorher nie sagen, was man bei so einer Reise in die Vergangenheit ans Tageslicht holen wird. Die Gefahr, dass du möglicherweise traumatische Erfahrungen wiederholen musst, kann ich leider nicht ausschließen. Deswegen musst du dir vorher ganz sicher sein, dass du dich wirklich darauf einlassen willst. Daher würde ich dir im Normalfall empfehlen, dich für ein paar Tage in Ruhe darauf einzustellen. Da es aber nun so dringend ist– ich könnte dich morgen Nachmittag zwischen zwei Termine schieben. Was denkst du?«
    Marie spürte, wie ihr Herz unruhig in ihrer Brust zu hämmern begann. Das alles ging so schnell, so plötzlich, und richtig wohl fühlte sie sich mit dem Gedanken nicht. Trotzdem brauchte sie nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen. Wenn es irgendetwas gab, was ihr und ihrer Mutter helfen konnte, dann würde sie es auf jeden Fall versuchen, egal wie gruselig es ihr erschien. Hatte Gab riel nicht gestern noch vorgeschlagen, dass sie herausfinden mussten, was die Feen wollten? Dies war vielleicht eine Gelegenheit dazu– und hier im Sprechzimmer ihres Therapeuten hatte sie nichts zu befürchten.
    » Ja«, sagte sie und war selbst überrascht, wie sicher ihre Stimme klang. » Ich meine, wenn Sie Zeit haben… dann würde ich das gern so schnell wie möglich probieren.«
    Dr. Roth nickte ernst. Aber in seinem Blick konnte Marie lesen, dass er stolz auf ihre Entscheidung war. » Gut. Dann bitte Ellen doch um den Termin, bevor du gehst. Gibt es sonst noch etwas, worüber du sprechen möchtest?«
    Marie schwieg. Eigentlich wusste sie nichts mehr, was sie ihrem Therapeuten in diesem Moment hätte sagen können. Aber ihr wurde beinahe schlecht bei dem Gedanken, die Praxis zu verlassen und auf die Straße zu gehen, wo die Feen sie wieder erreichen konnten. Zögernd schüttelte sie den Kopf.
    » Sei stark, Lea Marie«, sagte Dr. Roth sanft. » Die Feen können dir nichts tun, wenn du sie nicht lässt. Du bist die, die sie geschaffen hat. Du wirst sie besiegen. Sei nur mutig.«
    Überrascht sah Marie auf. Die blauen Augen des Therapeuten waren ruhig und freundlich und schienen ihr direkt in die Seele sehen zu können. Er verstand sie, dachte Marie und spürte, wie Erleichterung sie durchströmte. Er glaubte an sie. Seine Worte gaben ihr eine Kraft, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie in ihr steckte. Ihr Vater hätte dasselbe gesagt. Und hatte er nicht recht?
    Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte entschlossen. » Ich versuch’s.«
    Dr. Roth lächelte. » Und du schaffst es. Ganz bestimmt.« Er stand auf und begleitete Marie zur Tür. » Dann sehen wir uns morgen.«
    Marie schüttelte ihm dankbar die Hand. » Bis morgen. Ich rufe Sie an, wenn es doch nicht klappt.«
    Der Therapeut nickte. » Es wird klappen, das glaube ich sicher. Bis bald, Lea Marie.«
    Leise schloss sich die Tür hinter ihr.
    Als Marie die Treppen hinunter auf die Straße lief, fühlte sie die seltsame Kraft, die Dr. Roths Blick in ihr geweckt hatte, noch immer warm durch ihre Adern rinnen. Sie fühlte sich stark und voller Tatendrang, dabei konnte das Gespräch mit ihrem Therapeuten kaum mehr als eine Viertelstunde gedauert haben. Morgen, dachte sie, morgen würde sie endlich erfahren, was es mit den Feen auf sich hatte. Und dann würde sie sie dorthin zurücktreiben, wo sie hergekommen waren. Sie musste Gabriel davon erzählen, so bald wie möglich. Marie sah auf ihre Uhr.

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