Als die Tiere den Wald verließen
Risiko einzugehen.«
»Du hast gut reden. Du frißt keinen Kohl!« sagte das Oberste Kaninchen ärgerlich. »Sonst könntest du nicht so ruhig bleiben.« »Nun ...« begann der Fuchs.
»Nein!« sagte der Dachs. »Fuchs, gib nicht nach!« flüsterte er ihm zu. »Wir müssen hier schnellstens weg. Es ist ganz hell. Jeden Augenblick können Menschen auftauchen, dann hätte man uns schon bald entdeckt.«
»Ich will nicht, daß sie mich für hartherzig halten«, sagte der Fuchs zweifelnd.
»Sie werden es bald vergessen haben und froh sein, daß wir weitergegangen sind«, drängte der Dachs. »Ich glaube, wir...« Er brach ab, als sie über sich den Pfeifer hörten. Alle schauten nach oben. Begleitet vom Turmfalken und vom Waldkauz kam der Reiher rasend schnell auf sie zugeflogen. »Kommt! Geht weiter!« riefen sie. Die Vögel landeten gemeinsam. »Dies hier ist der reinste Friedhof«, sagte der Turmfalke und schauderte. »Vergiftet«, sagte der Waldkauz. »Alles vergiftet.« »Vergiftet?« keuchte das Oberste Kaninchen. »Die ganze Gegend«, nickte der Pfeifer. »Da vorn ist eine Obstplantage. Der Boden ist bedeckt mit toten Dompfaffen, Buchfinken, Amseln...« »Dann ist also die Flüssigkeit...« begann das Oberste Kaninchen.
»GIFT!« rief der Fuchs.
»Ich hoffe nur, daß keiner etwas gefressen ...« sagte der Turmfalke mit schwankender Stimme. »Nein«, sagte der Fuchs. Er schluckte bei dem Gedanken an die Gefahr, die hinter ihnen lag. »Du bist gerade noch rechtzeitig gekommen.«
»Das ganze Gelände wurde mit Chemikalien besprüht«, erklärte der Waldkauz. »Alle freilebenden Tiere sind geflohen. Aber für einige war es zu spät.« »Laßt uns um alles in der Welt von hier verschwinden!« sagte der Fuchs.
Erst jetzt sah sich der Dachs nach dem Maulwurf um, der in diesem Augenblick aus dem Loch gekrochen kam, das er hinter dem Kohlkopf gegraben hatte. Der Dachs sah die Erde auf dem Fell seines Freundes. »Oh, Maulwurf!« klagte er. »Was hast du nur getan?« »Würmer gefressen«, sagte die Kreuzotter. »Maulwurf, du hast dich vergiftet!«
Der Maulwurf sah sie entrüstet an. »Aber ich habe keine Würmer gefressen!« sagte er. »Sie sind alle tot!«
29
Der Naturliebhaber
Der Fuchs erzählte dem Maulwurf, warum alle Regenwürmer tot waren. Allen Tieren wurde ganz schwach in den Knien, als sie daran dachten, wie knapp der Maulwurf dem Tod entronnen war.
»So, Maulwurf, laß dir das eine Lehre sein!« sagte der Dachs zu seinem jungen Freund. »Du darfst dich nie wieder wegschleichen und heimliche Pläne machen. Du hast Glück, daß du immer noch unter uns weilst.« Doch der Dachs war über das knappe Entrinnen des Maulwurfs genauso erleichtert wie dieser selbst, und so lächelte er ihn nach dieser Belehrung freundlich an. Das Entsetzen, das die Tiere verspürten, ließ sie eilends weiterhasten. Noch immer umgab sie gespenstische Stille.
Beim Anblick der toten Vögel in der Obstplantage, die kein größeres Verbrechen begangen hatten als zu fressen, lief es den Tieren kalt den Rücken hinunter. Auf einem anderen Feld sahen sie noch mehr tote Geschöpfe: vergiftete Feldmäuse und Käfer und hübsche Schmetterlinge, die mit dem tödlichen Gift in Berührung gekommen waren. Selbst Bienen, die für die Menschen ja von Nutzen sind, hatten sich in dieses von Maschinen und Menschen beherrschte Gebiet verirrt, und diese unschuldigen Honiglieferanten waren ebenfalls tot.
»Ich werde mich gut waschen, wenn wir erst einmal hier weg sind«, sagte die Füchsin zum Fuchs. »Das werden wir alle tun!« antwortete er grimmig und führte die Gruppe entschlossen weiter. Schließlich erreichten sie das andere Ende des seelenlosen Gebiets - eine kräftige Weißdornhecke, die kerzengerade an dessen Rand entlangführte. Der Fuchs fand eine Lücke in der Hecke, und sie folgten der Füchsin in eine kühle grüne Wiese, auf der Kühe grasten und goldene Butterblumen in einem derartigen Überfluß blühten, daß es aussah, als hätte sich die Sonne auf dem Gras niedergelassen. Nach dem eben bestandenen Abenteuer sah es hier so einladend aus, daß sie sich zufrieden seufzend in das saftige Gras sinken ließen. Auch der Waldkauz, der Turmfalke und der Pfeifer gesellten sich zu ihnen. »Ja, es ist erstaunlich, was die Menschen alles machen, um ihre eigene Art zu erhalten«, sagte der Waldkauz weise und wichtigtuerisch.
»Wie kann ihnen denn Gift dabei helfen?« fragte die Kröte. »Es hilft ihnen, weil es sie nicht vergiftet«, sagte
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