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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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eine Stimme aus dem Off sagte: »Doch es gibt auch Hoffnung. Jeden Morgen packt Dawn Haversham ihre Instrumente zusammen und macht sich auf den Weg in die Neustadt, wo die Flüchtlingskinder sie schon ungeduldig erwarten.« Wie aufs Stichwort tauchten nun Sean und Timothy hinter einem Hügel auf und liefen ihr in Zeitlupe entgegen.
    Celie schnaubte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt, als es gestern Abend bei dem Treffen darum gegangen war, ihre Arbeit zu dokumentieren! Doch dann wurde ihr klar, dass diese Aufnahmen nicht von heute stammen konnten. Sean war heute später gekommen. Diese Aufnahmen hier mussten also schon einige Tage alt sein. Was bedeutete, dass ihr Verbündeter im Sender sie nicht gemacht hatte. Jemand anders hatte das aufgenommen und Celie beobachtete mit wachsendem Grauen, was er damit angestellt hatte.
    Es war alles falsch. Die süßliche Hintergrundmusik. Die wie in einem Werbefilm im Wind wehenden Haare der lachenden Kinder vor den sanften Wellen des blauen Meeres, auf denen Fischerboote dümpelten. Das Mittagsessen, von dem keiner wusste, dass Celie es mitgebracht hatte, weil die Rationen der Kinder nicht ausreichten. Aber das Schlimmste war der Off-Kommentar: »Der ›Engel mit der Klarinette‹, so nennen sie die Flüchtlinge. Sie hilft, wo sie kann. Sie hält das Schöne und Erhabene unserer Kultur lebendig. Und sie symbolisiert wie kaum eine andere die Vision, die uns Mobile antreibt. Dawn Haversham lebt die Ideale der Mobilen aus ganzem Herzen. Doch sie glaubt nicht nur an eine bessere Welt, in der jeder seinen Platz finden wird: Sie arbeitet aktiv daran mit, dass diese Vision Wirklichkeit wird. Allen Schwierigkeiten und Anfeindungen zum Trotz.«
    Jetzt wurde ein Mann eingeblendet, der eine Schaufel schwang und Celie bedrohte. Aber sie hatte den Mann noch nie gesehen. Das war eine Montage!
    »Dawn Haversham ist ein Vorbild für uns alle und ein Leuchtfeuer der Hoffnung in den schwierigen Zeiten voller Entbehrungen, die noch vor uns liegen, bevor unsere neue Welt Wirklichkeit wird.«
    Und dann erschienen zwei Bilder nebeneinander, eines von Celie, eines von Jason.
    »Eisernes Durchgreifen, wo es notwendig ist, und großzügige Hilfe für alle, die mit uns zusammen eine neue Zukunft aufbauen wollen: Dafür stehen wir.«
    Celie hätte sich am liebsten übergeben. Das war widerlich, pervers! Das war … Sie sprang auf. Das war Jason gewesen. Er benutzte sie!
    »Dawn, was ist denn?«, rief Tamila ihr nach. Aber Celie stürmte wortlos hinaus. Sie rannte sich die Seele aus dem Leib, während ein Puzzlestein nach dem anderen in ihrem Kopf an seinen Platz fiel.
    Jason wusste, wer sie war. Er musste es von Anfang an gewusst haben. Inmitten ihrer Wut fühlte sie einen Stich der Scham. Und sie hatte tatsächlich eine Zeit lang geglaubt, er würde sich für sie interessieren … Dabei war sie für ihn nichts anderes als ein Instrument gewesen. Ein Ass, das er aus dem Ärmel ziehen konnte, wann immer es ihm passte.
    Celie rannte und rannte. Ihre Beine wurden schwer und sie bekam Seitenstechen, aber sie wurde nicht langsamer. Wenn sie stehen blieb, würde sie explodieren.
    Was hatte er vorgehabt mit der Tochter der Mobilen-Feindin Nummer eins? Shit, das lag doch auf der Hand! Er musste sich schon lange auf eine Situation wie diese vorbereitet haben. Musste gehofft haben, dass die Tore irgendwann ausfallen würden. Oder hatte er sogar selbst die Hände dabei im Spiel gehabt? Er war jedenfalls bestens gerüstet gewesen – Celie erinnerte sich, wie Karen davon gesprochen hatte. Und all das, was seither passiert war, hatte er geplant. Er hatte seine Macht immer weiter vergrößert, mit Conors Hilfe seine Gegner ausgeschaltet, die Stimmung der Menschen gesteuert. Und sicher auch vorhergesehen, dass irgendwann ein Zeitpunkt kommen würde, an dem es für ihn eng wurde. An dem die Stimmung zu kippen drohte, weil die Menschen all die Notmaßnahmen, Rationierungen und die drastischen Einschränkungen ihrer Freiheit nicht mehr hinnehmen wollten.
    Und da kam Celie ins Spiel. Er hatte ihr erlaubt, die Musikschule wiederzueröffnen, er hatte ihre Passierscheine nicht widerrufen, obwohl Karen geflohen war – und jetzt baute er sie als Symbolfigur auf. Als Gegenpol zu den harten Maßnahmen, die er mit eiserner Faust durchsetzte. Und wenn er es an der Zeit fand, würde er der ganzen Stadt kundtun, wer der »Engel mit der Klarinette« in Wirklichkeit war. Die Tochter des Satans. Die er persönlich bekehrt

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