Als die Welt zum Stillstand kam
hatte. Und die nun mit ganzem Herzen seine Vision unterstützte.
Celie blieb keuchend stehen und stützte die Arme auf die Oberschenkel. Warum war sie nur so blind gewesen?
Weil sie einsam und verletzt gewesen war, als sie hier angekommen war. Weil sie sich aus allem hatte heraushalten wollen. Weil sie viel zu lange versucht hatte, Dawn zu sein. Und, was sie sich am wenigsten verzeihen konnte: weil sie Jason attraktiv gefunden hatte. Eine Zeit lang …
Dann wurde ihr noch etwas klar. Ihre Beine gaben nach und sie sank auf den Asphalt. Ein Puzzlestein hatte noch gefehlt und der fiel nun an seinen Platz.
Auch wenn Jason sie nach Strich und Faden belogen hatte, bei einer Sache war er ehrlich gewesen: Er wollte sie. Nicht, weil er sie begehrte. Sondern weil jeder grausame Tyrann eine aufopferungsvolle, von allen geliebte Frau an seiner Seite brauchen kann, die seine Position festigt.
Celie ließ sich gegen eine Hauswand sinken, umschlang ihre Beine mit den Armen und machte sich ganz klein.
Sie war allein auf der Straße. Die Ausgangssperre hatte begonnen.
Calais
Bernie wachte zuerst auf. Während er durch die Tarnplane das Licht der aufgehenden Sonne betrachtete, analysierte er ihre Lage.
Sie hatten nichts zu essen und nichts zu trinken. Eine Überfahrt mit einem der Schiffe im Hafen von Calais kam aus hygienischen Gründen (Cholera) und finanziellen Überlegungen (nur Alex’ Kette) kaum infrage. Der Roachy konnte es vielleicht, mit viel Glück und Sonne, nach Irland schaffen – aber nicht, wenn er zusätzlich Alex und Bernie tragen musste. Wenn Bernie all diese Faktoren einbezog, gab es nur eine Schlussfolgerung: Sie mussten ihren Plan, nach Irland zu gelangen, aufgeben.
Neben Bernie bewegte sich etwas, dann tauchte Alex aus seinem Schlafsack auf. »Puh, ist das kalt!«, sagte er und rieb sich die Arme. Dann stupste er Bernie mit einer Faust an. »Na, Alter, was gibt’s zum Frühstück?«
»Äh …«, sagte Bernie.
Alex prustete los. »Du solltest mal dein Gesicht sehen! Klar weiß ich, dass wir nichts zu essen haben. Aber …«, er klappte die Tarnplane zur Seite und krabbelte unter dem Roachy hervor, »… neuer Tag, neues Glück. Oder so.« Und schon lief er los.
Als Bernie ihn einholte, wollte er Alex mit den Ergebnissen seiner Analyse vertraut machen. Aber er hatte kaum »Wir haben kein …« gesagt, als Alex schon lächelnd abwinkte.
»Ich weiß, was du sagen willst. Wir haben nichts zu essen, nichts zu trinken und kein Boot. Schlimmer kann’s also nicht mehr werden und deshalb habe ich beschlossen, dass heute unser Glückstag ist.« Er deutete aufs Meer hinaus. »Oder willst du etwa aufgeben, so kurz vor dem Ziel?«
»Na ja«, sagte Bernie, »es sind 900 Kilometer bis nach Dublin. Kurz vor dem Ziel würde ich das nicht nennen …«
Aber Alex hörte ihm schon nicht mehr zu. Er lief auf eine Ansammlung von verfallenen Hütten zu, die mitten auf dem Strand stand, und verschwand in einer von ihnen.
»Du weißt doch gar nicht …«, rief Bernie, aber dann sparte er sich den Atem und rannte hinter seinem Freund her, der über Nacht ganz offensichtlich den Verstand verloren hatte. Bevor Bernie die Hütte erreicht hatte, kam Alex schon wieder heraus. Er schwenkte einen blauen Plastikkanister, in dem Flüssigkeit schwappte.
»Was hab ich dir gesagt? Unser Glückstag!«
Die Flüssigkeit war tatsächlich Wasser und es roch neutral. Sie hatten keine Tabletten mehr, um es zu sterilisieren, aber Bernie war so durstig, dass er seine Bedenken, was die Qualität des Wassers betraf, beiseiteschob und abwechselnd mit Alex gierig trank, bis der Kanister leer war.
»So, und jetzt noch was zu essen, dann können wir uns um ein Boot kümmern«, sagte Alex.
»Hier gibt’s nichts zu essen«, knurrte da eine Stimme hinter ihnen.
Von wegen Glückstag, dachte Bernie, als sie beide die Arme über den Kopf hoben, während der alte Mann mit seinem Gewehr fuchtelte. »Verschwindet!«
»Wir wollten sowieso …«, begann Bernie, aber anscheinend wollte ihn heute niemand ausreden lassen.
»Schnauze halten!«, knurrte der Mann. »Ich hab gestern meinen letzten Scheißfisch gegessen und ganz bestimmt nichts für zwei Plünderer übrig!«
»Sind Sie Fischer?«, fragte Alex.
Der Mann brummte nur etwas. Für Bernie klang das nicht unbedingt wie ein Ja, aber Alex’ Optimismus war an diesem Tag offenbar unerschütterlich. »Dann haben Sie doch sicher auch ein Boot, oder?«
»Das geht euch einen Scheißdreck an!«,
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