Als die Welt zum Stillstand kam
Celie dagegen und der Stachel verschwand im Innern der Drohne. Schnell kontrollierte sie die übrigen Drohnen. Ja, sie hatten alle so einen Stachel. Und er ließ sich offenbar ein- und ausfahren.
Celie stockte der Atem. Sie hatte die Waffe gefunden, mit der die vier Jungen ermordet worden waren.
Sie sammelte alle Drohnen zusammen und verstaute sie in dem Kasten. Kurz überlegte sie, ob sie eine Drohne als Beweis mitnehmen sollte. Aber die Drohne konnte vermutlich überall lokalisiert werden, das konnte sie nicht riskieren. Sie ging die Treppe hoch und war schon beinahe wieder durch das Toilettenfenster hinausgeklettert, als sie eine Bewegung im Garten nebenan bemerkte. Schnell zog sie sich zurück und lauschte. Ihr Herz raste und in ihren Ohren rauschte es so laut, dass sie kein Geräusch draußen mehr hören konnte. Sie musste ausharren, bis sie sicher sein konnte, dass niemand sie aus dem Fenster steigen sah … Und dann trieb sie plötzlich doch etwas hinaus: ein Knacken im Flur! Sie kletterte durch das Fenster, schaute nicht mehr links und nicht rechts, sondern rannte durch den Garten, sprang über einen Zaun, dann noch einen, bis sie sich wieder auf die Straße traute.
Nein, niemand war ihr gefolgt. Aber erst jetzt wurde ihr klar, wie loco ihr Plan gewesen war. Nur gut, dass sie das offene Toilettenfenster entdeckt hatte, bevor sie das Wohnzimmerfenster zerbrochen hatte! Sonst hätte es klare Beweise für einen Einbruch gegeben. Aber auch so konnte sie nicht sicher sein.
Was, wenn Jason wusste, dass er das Toilettenfenster nicht so sperrangelweit aufgelassen hatte?
Was, wenn er entdeckte, dass jemand im Haus gewesen war?
Was, wenn sie jemand gesehen hatte, als sie weggerannt war?
Sie konnte nur darauf bauen, dass Jason keine polizeiliche Untersuchung durchführen lassen würde, um herauszufinden, wer bei ihm eingestiegen war. Weil er mehr zu verbergen hatte als jeder andere hier. Er war ein Mörder.
Und er würde sicher nicht vor einem weiteren Mord zurückschrecken.
Bei dem Treffen mit Olle und seinen Mitstreitern versuchte Celie, sich darauf zu konzentrieren, was besprochen wurde, aber ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Sollte sie den Leuten hier sagen, was sie gefunden hatte – oder war das zu gefährlich? Sie war sich nicht sicher und so beschränkte sie sich erst einmal auf die Rolle der Zuhörerin.
Es gab viel Wut und Hilflosigkeit nach Jasons letzter Rede, aber nach und nach besannen sie sich darauf, was jeder dort, wo er arbeitete, unternehmen konnte. Olle zum Beispiel, der an der Programmierung des Elektrozauns beteiligt war, würde das System so zu manipulieren versuchen, dass die Überwachung Lücken aufwies. Ein Redakteur des Senders, der beklagte, dass viele seiner Kollegen nur noch als Sprachrohr des Rates fungierten, wollte im Sender heimlich Kameradrohnen abzweigen und sie einsetzen, um Jason zu überwachen. Und eine Polizistin würde bei Kollegen, die ihr zuverlässig erschienen, dafür werben, in ihrer Freizeit Kontrollgänge außerhalb der Stadt durchzuführen, um sich Informationen abseits der offiziellen Kanäle zu besorgen.
Irgendwann fiel es aber doch auf, dass Celie noch kein Wort gesagt hatte.
»Tut mir leid, ich habe keine Ahnung, was ich dazu beitragen kann«, gab Celie zu.
»Ich find’s packy, dass du mit den Kindern draußen arbeitest«, meinte die Polizistin. »Das ist total wichtig, dass wir die Verbindung zwischen drinnen und draußen stärken.«
»Genau«, sagte Olle, »damit kämpfst du aktiv gegen die Zwei-Klassen-Gesellschaft – die im Grunde ja schon Realität ist.«
»Und das sollten auch alle sehen.« Der Redakteur, Martin Kleib, zwinkerte Celie zu. »Wir sollten deine Arbeit mit den Kindern gleich morgen mit Kameradrohnen aufzeichnen und ausstrahlen.«
In diesem Moment begriff Celie: Das hier funktionierte nur, wenn alle einander vertrauten. Jetzt war es an der Zeit, dass sie auch jemandem vertraute. Und so erzählte sie, was sie in Jasons Keller entdeckt hatte.
Als sie fertig war, sagte niemand etwas, und Celie glaubte schon, dass sie einen schweren Fehler begangen hatte. Aber dann bedankte Martin Kleib sich bei Celie für ihren Mut, Olle schlug ihr anerkennend auf den Rücken und alle begannen durcheinanderzureden. Schnell kamen sie zu der Frage, die Celie auch schon beschäftigt hatte: Warum hatte Jason diese Jungen ermordet?
»Das liegt doch auf der Hand.« Die Polizistin seufzte. »Weil diese Morde und die damit zusammenhängenden
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