Als die Welt zum Stillstand kam
also!« Bernie öffnete das Tor. »Kommst du?«
Alex zögerte. Das hier war der Ort, wo Jenna gestorben war. Und wo Celie ihm gesagt hatte, dass sie ihn nie mehr wiedersehen wollte.
Aber seitdem hatte sich alles geändert. Er hatte sich geändert. Und diesmal würde sie ihm zuhören. Er würde ihr gar keine andere Wahl lassen. Wenn er sie denn fand.
Alex ging durch das Tor.
Sie ließen den Roachy in einem Gartenhäuschen zurück, damit er ihnen nicht die ganze Zeit hinterherlief, und fingen an, das Haus zu durchsuchen. Im ersten Stock befand sich auch das Arbeitszimmer, in dem die Steuerung der Sicherungsanlagen des Anwesens samt Monitoren untergebracht war. Bernie starrte so fasziniert auf die Bildschirme, dass Alex ihn bei den Computern zurückließ und die restlichen Zimmer im ersten Stock allein durchsuchte. Als er zurückkam, meinte Bernie: »Wir haben Glück, dass hier nach dem Torausfall niemand eingebrochen ist.« Er deutete auf einen Monitor, auf dem Kurven und Zahlen zu sehen waren, die Alex absolut nichts sagten. Bernie erklärte: »Der elektrische Zaun oben auf der Mauer funktioniert nicht überall. Ein Stück von etwa fünf Metern hat zurzeit keinen Strom.« Er stand auf. »Aber wenn sich überhaupt jemand hierher verirrt, hält ihn vermutlich schon die Mauer ab.«
Alex nickte. Die sechs Meter musste man erst mal überwinden.
Sie gingen hinunter in den Keller. Die Tür zum Labor stand offen und Alex blieb fast das Herz stehen. Aber auch dort war Celie nicht – sie scheuchten nur eine der Katzen auf, die ihnen von einem Tisch entgegensprang und dabei einen Stift herunterfegte.
Alex deutete auf einen Monitor, der dasselbe zeigte wie die im ersten Stock. Bernie nickte. »Offenbar kann man die Sicherheitsanlagen auch von hier unten aus steuern. – Ich schaue mich hier nachher noch mal genauer um. Vielleicht finde ich ja einen Hinweis darauf, was mit Jenna passiert ist.«
Als sie das Labor verließen, trat Alex auf etwas. Ein Stück Ton. Als er sich bückte, entdeckte er eine weitere bunte Scherbe unter dem Schrank neben der Tür. Ein Blick auf den Schrank genügte: Der grauenhafte Tonaschenbecher, den Celie ihrer Mutter in der Schule getöpfert hatte, war nicht mehr da. Wahrscheinlich hatte ihn eine der Katzen runtergeworfen. Die waren schon früher überall hier rumgeschlichen.
Im Getränkekeller stießen sie auf eine weitere offene Tür, die sie beide noch nie gesehen hatten. Dahinter rumpelte ein Generator und die Regale quollen über von Lebensmitteln, Kanistern mit Wasser und Werkzeug. Ein gigantischer Treibstofftank füllte den Rest des Raumes aus.
Aber Celie war nicht da.
»Sie könnte irgendwo draußen sein«, meinte Bernie, als sie sich in der Küche Cola aus dem Kühlschrank nahmen. Alex folgte ihm zum Sofa im Wintergarten, wo sie schweigend tranken. Klar, sie konnte irgendwo draußen sein. Aber wahrscheinlicher war doch, dass sie sie verpasst hatten. Oder sie war überhaupt nicht hier gewesen. Dann musste Alex sie auf dem Weg nach Berlin einholen. Nur: Wollte sie überhaupt nach Berlin? Das kleine Mädchen hatte zwar was von einem Freund gesagt, den Celie suchte. Aber was, wenn sie damit gar nicht Alex gemeint hatte, sondern Bernie – oder irgendeinen anderen Typen, den sie in der Kommune kennengelernt hatte?
Alex hielt es nicht mehr auf dem Sofa. »Ich such draußen weiter«, sagte er.
»Ich komm gleich nach«, murmelte Bernie. Er war in eine Kladde vertieft, die auf dem Sofa gelegen hatte.
Alex war das nur recht. Wenn er Celie doch noch fand, wollte er allein mit ihr sein.
Das Kranen-Anwesen war größer als so mancher öffentliche Park. Auf dem Gelände gab es mehrere Gartenhäuser, Teiche, einen Wasserfall und sogar einen kleinen Wald. Alex brauchte eine Weile, bis er einmal innen an der Mauer entlanggelaufen war. Danach wollte er sich das unübersichtliche Gelände Stück für Stück vornehmen. Doch je länger er lief, desto weniger glaubte er, dass er Celie hier finden würde. Aber wo konnte sie sonst sein?
Auf einmal fiel ihm etwas ein – wieso hatte er nicht früher daran gedacht? Es gab einen Ort, zu dem Celie schon als Kind gegangen war, wenn sie traurig war oder in Ruhe über etwas nachdenken wollte: der Orangenbaum. Er lag so abgelegen auf einem Hügel zwischen Wald und Mauer, dass sich selten jemand dorthin verirrte. Celie hatte immer geglaubt, niemand wüsste davon. Aber Alex hatte sie vor vielen Jahren einmal dort entdeckt, als er sich auf dem Gelände
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