Als die Welt zum Stillstand kam
öffnete die Abdeckplatte und schaltete den Roachy wieder ein. Sofort bewegte der Roboter die Beine, als wollte er testen, ob sie wieder funktionierten.
Camille, die die ganze Zeit keinen Finger gerührt hatte, stand auf. »Fertig?«
Bernie nickte.
»Gut.«
In dem Moment, als Camille losmarschierte, sah Bernie das Lächeln.
Diese Murkha sah zu, während er schuftete, und dann machte sie sich auch noch über ihn lustig?! Nur mit Mühe schaffte Bernie es, sich zusammenzureißen. Ganz egal, welche Steine sie ihm in den Weg legte: Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Er würde Tortechniker werden, so sicher, wie die Erde sich um die Sonne drehte. Wenn er mit diesem … diesem Partygirl zusammenarbeiten musste, um sein Ziel zu erreichen, dann würde er das eben tun.
Jetzt leierte sie die verschiedenen Bestandteile des Tors herunter, das sie errichten wollten, und ließ dabei immer wieder Kaugummiblasen platzen. Bernie hörte nur mit halbem Ohr hin. Er kannte das alles in- und auswendig – er hätte das Tor ganz allein zusammenbauen können, zur Not auch im Dunkeln. Wer weiß, vielleicht würde er das sogar tun müssen. Nach dem Erlebnis mit dem Roachy hatte Bernie so seine Zweifel, ob Camille sich überhaupt an irgendeiner Arbeit beteiligen wollte. Sie hatte sicher Wichtigeres zu tun. Kaugummikauen oder Halskettensortieren oder sonst was.
»Die Sicherheitskabine wird uns am längsten aufhalten, aber ich nehme an, das weißt du auch schon«, sagte Camille gerade.
Bernie nickte gelangweilt. Doch dann schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. »Darf ich dich mal was fragen?«
Camille grinste. »Und ich dachte, mein Superazubi wüsste schon alles.«
Bernie schluckte die Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag. Das hier war zu wichtig und vielleicht hatte sie ja als Technikerin doch ein bisschen was drauf. Jedenfalls war niemand anders hier, also würde er es einfach versuchen.
»Es geht um …« Bernie stolperte und hielt sich an dem nächstbesten Ast fest. Der Schmerz, als sich die Dornen in seine Hand bohrten, war so heftig, dass er aufschrie.
»Weißdorn«, sagte Camille. »Lateinischer Name: Crataegus monogyna.«
»Interessant«, quetschte Bernie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Aber ich wollte eigentlich was anderes wissen.«
Camille lachte laut los. Sie prustete regelrecht vor Lachen!
»Bernard!«, rief sie. »Verlierst du eigentlich nie die Contenance?«
Bevor er noch fragen konnte, was »Contenance« bedeutete, fuhr sie fort: »Ich habe weiß Buddha inzwischen so einiges versucht, um dich aus der Reserve zu locken. Aber egal, ob ich dich mit Sachen langweile, die du längst weißt, oder den Roachy sabotiere und dich dann mit dem Problem alleinlasse: Du lässt dich einfach nicht aus der Ruhe bringen.«
Sie klimperte mit ihren Halsketten und zwinkerte ihm zu. Bernie erschrak. Wollte sie jetzt etwa auch noch mit ihm flirten? Aber dann wurde sie ernst. »Und jetzt sag mir, ohne groß zu überlegen, was du über mich denkst.«
Bernie hatte keine Ahnung, welches Spiel sie spielte, aber er hatte auch keine Lust mehr, darüber nachzudenken. Er war verschwitzt, seine Hand tat weh und er war wütend.
»Na gut!«, rief er. »Du hast den tollsten Beruf der Welt, aber du benimmst dich wie … als könntest du genauso gut Toaster reparieren! Du sollst mir was beibringen, aber offenbar hast du überhaupt keine Lust dazu. Oder keine Ahnung …« Bernie brach ab. Er war zu weit gegangen. Wenn sie das meldete, konnte er seinen Traum an den Nagel hängen!
»Na endlich«, sagte Camille. »Endlich sagst du mal, was du denkst. Anstatt alles zu schlucken, was ich mir dir gegenüber herausnehme.«
Wackelkontakt. Bernie konnte sie nur anstarren.
Camille zog das Erste-Hilfe-Päckchen aus einer Tasche am rechten Vorderbein des Roachys, nahm ein Pflaster heraus und klebte es sanft, aber fest auf Bernies Hand.
»Ich schlage vor«, sie lächelte und ließ eine Kaugummiblase vor seiner Nase platzen, »wir fangen noch mal von vorne an. Ich bin eine verdammt gute Lehrerin, aber nur, wenn du auch ein verdammt guter Schüler bist. Also: Beschwer dich, wenn dir was nicht passt! Frag mich, wenn du etwas wissen willst! Und vor allem«, sie beugte sich vor, bis eine ihrer rosa Haarsträhnen ihn am Hals kitzelte, »sieh dir die Menschen genau an, mit denen du zu tun hast. Denn wenn es knifflig wird – und das wird es für einen Tortechniker ständig –, dann kommt es in der Regel nicht so sehr auf dein
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