Als die Welt zum Stillstand kam
sich wieder an die Menge. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie auf einen nach dem anderen deutete.
»Alle männlichen Pfleger und Praktikanten in mein Büro, außerdem die Schwestern Elvira, Ida, Astrid und Hilke. Die anderen gehen zurück an die Arbeit. Ihre Hauptaufgabe ist jetzt: Entlassen Sie so viele Patienten wie möglich. Jeder, der allein draußen zurechtkommt, muss sein Bett räumen. Lassen Sie die Entlassungen von Doktor Krawinkel unterschreiben, ich werde gleich mit ihm darüber sprechen.« Sie zögerte, dann fügte sie hinzu: »Auch wenn es Ihnen merkwürdig erscheint: Betätigen Sie die Klospülungen bitte nur, wenn es unbedingt nötig ist. Ohne Strom füllen sich die Kästen nicht mehr nach und Wasser bekommen wir sowieso keines mehr ohne die Tore.«
Nur zögernd löste die Menge sich auf. Zwölf Männer und vier Frauen blieben zurück und sahen sich unsicher an.
»Kommen Sie mit«, sagte Schwester Susmita und ging voran wie ein Feldherr, der seine Soldaten in die Schlacht führte.
Genau wie alle anderen, die ihr folgten, versuchte Alex, über sein MoPad irgendwen zu erreichen: Celie, seine Ma, seinen Vater, Bernie … Keine Chance.
Erst in diesem Moment traf es ihn wie ein Blitz: Die Tore waren tatsächlich ausgefallen!
Und auch wenn er sich noch nicht richtig vorstellen konnte, was das bedeutete, eines wusste er: Die Welt, wie er sie kannte, gab es nicht mehr.
Mecklenburgische Seenplatte
»Beweg dich nicht!«, flüsterte Camille. Sie kroch über den Boden zu dem Roachy hinüber, zog eine transparente Plane aus einer Packtasche, faltete sie auseinander und warf sie über den Roboter. Im nächsten Moment … war er verschwunden!
Bernie schaute genauer hin. Nein, der Roboter war natürlich noch da. Aber die Plane hatte sich der Umgebung angepasst, sodass man ihn kaum sehen konnte.
Das musste diese neue Beschichtung sein, die nach dem Vorbild der Chromatophoren und Photophoren von Kraken funktionierte! Die meisten Leute glaubten, dass Chamäleons die Meister der Tarnung im Tierreich waren, aber Bernie wusste: Sie waren nichts gegen Tintenfische. Die konnten nicht nur die Färbung ihrer Haut ihrer Umgebung anpassen, sondern bildeten sogar die Oberflächenstruktur des Bodens und der Steine nach, über die sie glitten. Und sie konnten bewegte Bilder auf ihrer Haut erzeugen. Bernie hatte mal ein Vid gesehen, in dem ein Tintenfisch das Spiel von Licht und Schatten nachbildete, als er durch ein Algenfeld schwamm. Er war nahezu unsichtbar gewesen.
Bernie hatte auch schon davon gehört, dass man den Geheimnissen der Tintenfisch-Tarnung auf der Spur war. Aber er hatte nicht gewusst, dass das Problem der Steuerung der Hunderttausenden von Farb- und Lichtzellen bereits gelöst worden war. Er wollte Camille gerade danach fragen, als ihm die Outlaws wieder einfielen. Er konnte sie immer noch nicht sehen. Vielleicht gab es sie ja gar nicht und das hier war nur ein neuer Teil von Camilles eigenwilligem Ausbildungsprogramm.
Da knirschte es keine zwei Meter entfernt und eine Frauenstimme sagte: »Du wirst dich dran gewöhnen, Elias. Halt dich an mich, dann kann dir nichts passieren.«
»Aber gibt es hier denn keine wilden Tiere?« Diese weinerliche Stimme gehörte einem breit gebauten Mann. Bernie konnte ihn durch das Gebüsch sehen. »Ich meine, wenn uns eines angreift, können wir ja nicht wegbeamen …«
Die Stimme der Frau war hart wie Stahl. »Du wirst nie wieder beamen, also kannst du dieses Wort auch gleich aus deinem Wortschatz streichen. Wenn dich jemand angreift, dann machst du ihn kalt, so einfach ist das.«
Jetzt konnte Bernie auch die Frau erkennen. Sie war klein und drahtig und trug einen Gürtel mit Messern verschiedener Größe. Und einen Revolver hatte sie auch. Sie nahm ein Messer in die Hand, mit dem man vermutlich einen Bären hätte erlegen können, und strich liebevoll die Klinge entlang, bevor sie das Messer wieder in den Gürtel steckte.
»Ich kann keinen umbringen«, sagte Elias leise.
»Dann wirst du nicht lange überleben«, sagte die Frau.
Die beiden entfernten sich. Als sie nicht mehr zu sehen waren, wollte Bernie aufstehen. Doch Camille hielt ihn zurück und deutete wortlos auf ihr Ohr. Bernie lauschte. Tatsächlich, er konnte die beiden Outlaws noch immer hören. Sie hielten kurz an, dann gingen sie weiter. Erst als schon etwa eine Minute lang nichts mehr von ihnen zu hören war, stand Camille auf und huschte zu dem Platz, an dem die Outlaws gestanden hatten.
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