Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
Vom Netzwerk:
verbrachten sie damit, alles bis auf die äußere Stützkonstruktion wieder auseinanderzubauen, jedes noch so unbedeutende Teil auf Herz und Nieren zu prüfen und dann alles zum zweiten Mal zusammenzusetzen.
    Das Ergebnis war dasselbe wie beim ersten Mal.
    »Jetzt reicht’s!« Camille warf ihren Schraubenzieher auf den Waldboden, holte ihr MoPad hervor und rollte es auseinander. »Ich ruf jetzt die Zentrale an. Die müssen uns irgendwelchen Schrott mitgegeben haben. Na, denen werd ich was erzählen!«
    Bernie sah, wie Camille eine Taste drückte. Einmal, zweimal, dreimal. Dann drückte sie eine andere Taste und bediente danach scheinbar willkürlich jede Taste und jeden Sensorpunkt des MoPads. Dabei verfinsterte sich ihre Miene immer mehr. Schließlich schüttelte sie ihr MoPad, als wollte sie hören, ob irgendwelche losen Teile darin herumflogen. Aber das Einzige, was Bernie hörte, war das Klirren ihrer Korallenimitatketten.
    »Merde!« Camille wollte ihr MoPad offenbar wegschmeißen, aber dann steckte sie es ein. »Bernie, gib mir mal deines.«
    Als sie damit auch keine Verbindung bekam, gab sie es ihm zurück. »Okay, vielleicht liegt’s ja an mir. Versuch du doch mal, ins Netz zu kommen.«
    Doch obwohl der Akku funktionierte und Bernie auf alles zugreifen konnte, was in seinem MoPad gespeichert war, bekam auch er keine Verbindung.
    »Das ist doch nicht einer von deinen Tests, oder?«, fragte er, aber im Grunde kannte er die Antwort schon.
    »Ich wünschte, es wäre einer«, sagte Camille. »Ich hab nämlich nicht die geringste Ahnung, was das alles bedeutet.« Sie ging aus dem Tor hinaus. »Ich kann besser denken, wenn ich mich bewege«, sagte sie, dann verschwand sie aus Bernies Blickfeld.
    Bernie hatte auch keine Erklärung für das, was hier vorging. Aber es gab eine Methode, die ihm gute Dienste geleistet hatte, wenn er ratlos war (nicht dass das oft passierte). Erfunden hatte sie Sherlock Holmes – oder vielmehr sein Schöpfer, Arthur Conan Doyle – und sie besagte: Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hatte, musste das, was übrig blieb, die Wahrheit sein; so unwahrscheinlich es auch sein mochte.
    Sie hatten schon eine Menge Dinge ausgeschlossen. Bernie ging in Gedanken alles noch mal durch. Am Ende blieb nur eine einzige Möglichkeit übrig, die erklären konnte, was …
    Der schrille Schrei klang so unmenschlich, dass Bernie nicht gleich wusste, was das war. Er sprang auf, sah sich um und entdeckte ein Bein, das hinter dem Tor hervorragte. Der Stoff des Hosenbeins schimmerte blau.
    Wie konnte Camilles Bein so hoch in der Luft schweben?
    »Aaaaah!«
    Bernie lief zur Seite, sodass er um das Tor herumschauen konnte. Ach so, deshalb schwebt ihr Bein in der Luft, dachte er. Er sah den Bären, der auf zwei Beinen hinter Camille stand und sie um einen halben Meter überragte. Er sah die zottigen Pranken, die Camille gepackt hatten, und die riesige Schnauze, die sich um Camilles Schulter geschlossen hatte. Er sah Camilles maskenhaft verzerrtes Gesicht und ihren offenen Mund. Er sah ihre pinkfarbene Perücke, die auf dem Boden lag.
    Dann fügten sich alle Teile plötzlich zusammen und Bernie fing an zu schreien.
Der Rest der Welt
    Tel Aviv, Fuat-Galerie
    »Stößchen!«
    Die Gläser klirrten, als alle auf die Künstlerin anstießen.
    »Stößchen?«, raunte Arvid ihr ins Ohr.
    »Das wollte ich immer schon mal sagen.« Delilah kicherte. »Wenn man so was sagen kann, ohne dass alle einen auslachen, dann hat man’s geschafft, oder?«
    Ihr Bruder lächelte. »Ich hab nie daran gezweifelt, dass du es schaffst.«
    »Danke.« Delilah umarmte ihn strahlend.
    »Zumindest seit die vier wichtigsten Kunstkritiker des Globus hier zur Vernissage aufgetaucht sind«, fügte er grinsend hinzu.
    »Du ekelhafter …« Delilah warf ein Lachshäppchen nach Arvid, doch er war schon außer Reichweite.
    Als er sich umsah, hatte Christine Savage von der New York Times Delilah bereits mit Beschlag belegt. Er schlenderte zur Fensterfront, die einen ungehinderten Blick aus 106 Metern auf Tel Aviv erlaubte.
    Hochhäuser, Straßen, das Mittelmeer: Wenn man nicht zu genau hinsah, konnte man meinen, dass hier immer noch Millionen von Menschen lebten – nicht nur ein paar Tausend. Aber das Grün, das die Weiße Stadt allmählich zurückeroberte, durch Straßenbeläge brach und sich durch Fenster schlängelte, sprach eine andere Sprache.
    Ebenso wie das schmale Stück Erde voller Unkraut, das von der Mitte des Raumes bis zu einem

Weitere Kostenlose Bücher