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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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Bühne.
    Endlich gingen die Lichter aus, der Vorhang hob sich – und das Baby-Vid gab ein Geräusch von sich, das jeder im Saal hören konnte.
    Anita sprang auf. »Sie weint!«
    Das Geräusch brach ab. Ungläubig drückte sie auf dem MoPad herum. »Jetzt ist das blöde Ding auch noch kaputt!«
    Paul zog sie auf ihren Sitz zurück. »Beruhig dich!«, zischte er. »Deine Mutter ist doch bei ihr.«
    Aber Anita drängelte sich bereits durch ihre Sitzreihe. »Ich will sofort nach Hause!«
    Entschuldigungen murmelnd, folgte Paul seiner Frau.
    Kanada, am Lake Winnipeg
    Die acht Monate alte Marlene schrie sich die Lunge aus dem Leib.
    Ihre Eltern saßen 14.000 Kilometer weit weg in Sri Lanka in der Oper.
    Die nächsten Nachbarn lebten 300 Kilometer entfernt.
    Und Marlenes Großmutter, die auf sie aufpassen sollte, befand sich in Bristol. Sie hatte nur eben den spannenden Krimi holen wollen, den sie zu Hause vergessen hatte.
    Dublin, T. O. R.-Zentrale
    »Da wären wir.« Greg Haligan und sein Sohn legten beide den Kopf in den Nacken und schauten das Hochhaus der T. O. R. AG hinauf. Alle 54 Stockwerke.
    »Packy«, hauchte Sam. »Dein Büro ist ganz oben, stimmt’s, Dad?«
    »Klar.« Greg lächelte.
    Bisher lief es besser, als er gehofft hatte. Auf keinen Fall wollte er sich am »Take your kid to work«-Tag vor seinem neunjährigen Sohn blamieren. Und das würde er unweigerlich, wenn Sam begann, ihn mit Fragen zu löchern. Denn wenn Greg ehrlich war, gab es kaum einen langweiligeren Job als seinen. Tag für Tag hockte er im Kontrollraum und starrte auf die Screen, auf der unzählige Punkte leuchteten. Jeder stand für ein Tor und jedes Tor funktionierte.
    Klar, alle paar Tage gab es eine Störung. Aber zu Schaden kam dabei niemand. Vorher schalteten die Tore sich ab und Greg oder einer seiner Kollegen schickte innerhalb von Sekunden einen Tortechniker hin.
    Tortechniker, das war ein Beruf, mit dem man bei Kindern Eindruck machen konnte. Da konnte man Geschichten von Expeditionen in unbekannte, gefährliche Gegenden erzählen, in denen man unter Einsatz seines Lebens neue Tore installierte. Aber Greg hatte noch nie einen Außeneinsatz gehabt. Er saß nur den ganzen Tag herum und wartete auf einen Notfall – der niemals eintreten würde, da machte er sich nichts vor.
    Aber vielleicht hatte Greg sich wegen Sam unnötig Sorgen gemacht. Sein Sohn war offenbar schwer beeindruckt. Jedenfalls plapperte er nicht drauflos wie gewöhnlich, als sie die marmorgetäfelte Eingangshalle von den Ausmaßen eines Flughafens durchquerten. Und als Meg von der Sicherheit ihm einen Besucherausweis an die Brust heftete und ihn fragte, ob er sich auf den Tag mit seinem Vater freue, sah er sie nur mit großen Augen an und nickte.
    Sie fuhren die 54 Stockwerke hinauf und betraten den Kontrollraum, der mit acht Leuten an diesem Morgen voll besetzt war. Greg grüßte in die Runde und steuerte auf sein Pult zu. Er hatte vor, seinen wissbegierigen Sohn mit Informationen zu überschütten, sodass der gar nicht dazu kam, eigene Fragen zu stellen. Aber als Sam die zehn Meter lange Screen mit den Tausenden grün leuchtender Punkte sah, rief er: »Gehört das alles dir, Dad?«
    Gelächter schwappte durch den Raum wie ein Tsunami und zerschmetterte Gregs Hoffnungen, den Tag mit Anstand über die Bühne zu bringen. Mit rotem Kopf zog er Sam zu seinem Pult und drückte ihn auf den Stuhl.
    »Weißt du, Sam, T. O. R. ist ein riesiges Unternehmen. Da arbeiten ganz viele Leute.«
    »Wie viele denn, Dad?«
    Ginny nebenan gluckste. Greg warf ihr einen düsteren Blick zu. Sie wandte sich ab, aber ihre Schultern zuckten.
    »Na, bestimmt so viele, wie bei dem Konzert der Grizzly Boys waren.«
    Sie hatten das Konzert vor einigen Wochen mit über 90 000 anderen im FNB-Stadium in Johannesburg besucht. Für Sam, der zuvor noch nie mehr als hundert Leute auf einmal gesehen hatte, war es das Größte, was er je erlebt hatte. Greg hoffte, dass Sam allein die Erinnerung daran sprachlos machen würde.
    Das klappte auch – ungefähr fünf Sekunden lang.
    »Und du bist der Chef von allen, Dad?«
    Ginny bekam einen Hustenanfall. Sam sprang auf und klopfte ihr auf den Rücken.
    »Danke, Süßer«, keuchte sie.
    »Wenn man sich verschluckt, kann man sterben«, klärte Sam sie auf.
    Ginny nickte und streckte Sam die Hand hin.
    »Freut mich, dich kennenzulernen, Sam. Der Chef«, sie zwinkerte Greg zu, »hat mir schon viel über dich erzählt.«
    Sam strahlte, und Greg dachte schon,

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