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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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Kemal ließ sich in einen Stuhl sinken und konzentrierte sich auf die Screen. Sie zeigte eine blasse CNN-Reporterin, die sich im Dschungel sichtlich unwohl fühlte. Kemal vermutete, dass das vor allem an ihrer Kleidung lag: Immer wieder zupfte sie an dem langen Rock und der Bluse, die ihr am Körper klebten. »Bara’a Forest Natural Reservat, Jemen.« Das stand am unteren Bildrand.
    Im Hintergrund war ein Wasserfall zu sehen, davor ein Mann und eine Frau. Die Frau schraubte zwei Metallplatten zusammen, während der Mann mit dem Gewehr im Anschlag die Umgebung im Auge behielt.
    »Das«, sagte Sue salbungsvoll und strich sich eine graue Strähne aus dem Gesicht, »ist ein bedeutendes weltpolitisches Ereignis, ist dir das klar?«
    Kemal nickte zögernd. Politik interessierte ihn nicht besonders. Sie war ihm meistens zu kompliziert. Aber Sue ließ das nicht gelten. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Kemal nicht nur ordentliches Putzen beizubringen, sondern auch politisches Bewusstsein.
    »Im Jemen haben nur die Herrscher Tore. Sie erlauben den anderen nicht, welche zu benutzen. Deshalb können die auch nicht weg da und sie bekommen kein Essen und keine Medizin von außerhalb. Kannst du dir so was vorstellen?«
    Kemal schüttelte den Kopf.
    »Diese Berichterstattung ist allerdings ein Witz«, fügte sie hinzu. »Die Tussi tut so, als wäre sie dabei, aber in Wahrheit steht sie ganz woanders. Hunderte Meilen entfernt, wo ihr nicht das Geringste passieren kann.«
    Sue hatte ihm das schon mal erklärt, aber er hatte es wieder vergessen. Kemal runzelte die Stirn.
    Sue seufzte. »Also, sie steht irgendwo anders im Dschungel, in einem anderen Land, wo ein Tor in der Nähe ist und wo ihr nichts passieren kann. Bei den Leuten, die das Tor aufstellen, wäre es viel zu gefährlich. Da haben sie nur ein paar Kameradrohnen hingeschickt.«
    Sie blickte Kemal prüfend an.
    »Das sind kleine fliegende Kameras«, erklärte er stolz. »So groß wie Bienen und mit winzigen Vidcordern und Solarzellen drauf.«
    Sue lachte. »Genau!«
    Die Reporterin wischte sich jetzt den Schweiß von der Stirn. »Wieder einmal haben sich zwei mutige Vertreter von ›Tore ohne Grenzen‹ in eines der Länder gewagt, in denen die Bevölkerung von ihren Machthabern von der Benutzung des Tornetzes ausgeschlossen wird. Tortechnikerin Sarah Macoo und der frühere israelische Offizier Ezra Bethmann haben bereits mit der Installation des ersten freien jemenitischen Tors begonnen, und es ist nur noch eine Frage von Minuten, bis der historische Augenblick gekommen ist. Dann ist der Weg frei für Tausende von Helfern, die schon bereitstehen, um weitere Tore zu errichten und die Bevölkerung mit Nahrung und Medikamenten zu versorgen. Auch Ridvan, der charismatische Anführer der jemenitischen Rebellen, wird sofort aus dem Exil zurückkehren, um den Widerstand in seiner Heimat anzuführen. Selbst wenn die jemenitischen Regierungstruppen dieses erste Tor innerhalb eines Tages entdecken, würde die Zeit ausreichen, um …«
    Es knallte, erst einmal, dann noch mal, dann immer wieder. Die Kamera wackelte. Die Reporterin duckte sich – obwohl sie doch gar nicht dort ist , dachte Kemal verwirrt –, aber das war nur kurz und verschwommen zu sehen. Ebenso wie der Trupp bewaffneter Männer, die durch die Bäume stürmten und wild um sich schossen. Die Kamera schwenkte auf die Tortechnikerin und ihren Beschützer. Sie lagen mit verrenkten Gliedern vor dem Wasserfall, um sich herum zerborstene Metallteile, neben sich das Gewehr, das ihnen nichts genutzt hatte.
    »Nein!«, schrie Sue.
    Kemal ging erschrocken hinter einem Tisch in Deckung, aber er starrte weiter auf die Screen.
    Die Reporterin war nicht mehr zu sehen, nur ihre Stimme klang leise durch Schüsse und Geschrei.
    »Es ist furchtbar: Soeben haben wir mit ansehen müssen, wie Macoo und Bethmann von einem Militärtrupp aufgespürt und niedergemetzelt worden sind. Ein schwarzer Tag für uns alle, denn nach langer Zeit hat es eine Diktatur wieder mal geschafft, eine Torinstallation zu verhindern. Nach den Vorfällen in Indonesien und Nordkorea ist dies bereits der dritte gescheiterte Versuch in diesem Jahr, die letzten fehlenden Länder ins Torzeitalter und damit in die globale Weltgemeinschaft zu holen.«
    »Diese verdammten Schweine!« Sue knallte ihren Lappen in den Eimer, dass das dreckige Wasser nur so spritzte.
    Kemal nickte, auch wenn er nicht wusste, was da gerade genau passiert war. Jedenfalls hatte er auf

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