Als die Welt zum Stillstand kam
Feldbetten vorbei, die die Bundeswehr gebracht hatte, bis er das Bett ganz hinten erreichte.
Sofia sah aus dem Fenster. Alex räusperte sich.
»Alex, wie schön, dass Sie da sind! Setzen Sie sich doch, Sie sehen müde aus. – Hier, auf die Bettkante«, fügte sie hinzu. Im ganzen Zimmer gab es keinen einzigen Stuhl, denn auch die Stühle wurden für die Patienten gebraucht. Alex setzte sich, aber er konnte Sofia nicht ins Gesicht sehen.
»Es tut mir so leid«, brachte er schließlich heraus.
»Was tut Ihnen leid?« Sofia klang erstaunt.
»Na, das mit Ihrem Bein! Dass Sie … dass es …«
»Dass es steif bleiben wird, meinen Sie?«
Jetzt lächelte sie sogar! Alex verstand gar nichts mehr.
»Ja, und das ist meine Schuld!«, rief er so laut, dass die anderen Gespräche im Raum verstummten.
Sofia sah in die Runde und sagte ebenso laut: »Er ist überarbeitet. Die Nerven …«
Überall wurde verständnisvoll genickt.
Sofia runzelte die Stirn, als sie sich wieder Alex zuwandte. »Das meinen Sie doch nicht im Ernst, oder? Sie haben mir das Leben gerettet!«
»Hab ich nicht!«, brauste Alex auf. »Ich hab noch weniger Ahnung vom Operieren als die beiden Schwestern. Wenn ein Arzt da gewesen wäre …«
Sofia richtete sich im Bett auf. »Jetzt halten Sie aber mal die Luft an!«, rief sie und fügte ein lautes: »’schuldigung!« für die anderen im Zimmer hinzu. Leiser fuhr sie fort: »Sie haben mich aus der Bank gerettet und mich ins Krankenhaus gebracht. Schon allein dafür werde ich Ihnen ewig dankbar sein. Und dann haben Sie und die Schwester mit dem bezaubernden Lächeln es auch noch geschafft, mich so weit wieder hinzukriegen, dass ich überleben werde. Jetzt sagen Sie mal selbst, Alex: Wenn man in all diesem Chaos so viel Glück hat wie ich, ist ein steifes Bein doch wirklich kein zu hoher Preis, oder?«
Sofia ließ sich wieder ins Kissen sinken. »Sie werden mal ein toller Arzt.«
Alex wusste nicht, warum es ausgerechnet hier und jetzt sein musste, aber er konnte es plötzlich nicht mehr zurückhalten. »Ich will kein Arzt werden.«
Sofia sagte nichts, sah ihn nur aufmerksam an. Und in Alex brach ein Damm.
»Ich hasse das alles, das Blut, die Wunden, die … Schon als Kind ist mir schlecht geworden, wenn ich ein Krankenhaus nur betreten habe. Dieser Geruch …«
»Was wollten Sie denn werden?«
»Gärtner«, sagte Alex wie aus der Pistole geschossen.
»Und warum sind Sie dann hier?«
Die Frage war für ihn wie ein Schlag in den Magen. Ja, warum war er hier? Warum tat er sich das alles an?
»Wegen Jenna«, sagte er. Und dann erzählte er Sofia die ganze Geschichte.
Sie unterbrach ihn nicht ein einziges Mal. Als er fertig war, nahm sie wie am Tag zuvor seine Hand. Aber diesmal hatte Alex das Gefühl, als wollte sie sich nicht an ihm festhalten, sondern ihn daran hindern, wegzulaufen.
»Erstens«, sagte sie sanft, »Sie sind nicht schuld an ihrem Tod, und das wissen Sie, nicht wahr? Zweitens, diese Celie mag ja stinksauer auf Sie sein, aber sie weiß ganz sicher auch, dass es nicht Ihre Schuld war. Drittens, wenn Sie dieses Mädchen lieben …«
»Das hab ich nicht gesagt!«
Sofia lachte. »Das war auch nicht nötig. Jedenfalls, drittens, was machen Sie dann noch hier? Sie sollten auf dem Weg nach Irland sein, um sie zu suchen. Wenn Sie es jetzt nicht tun, haben Sie später vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu. – Also«, sie wedelte mit der Hand, als wollte sie einen aufdringlichen Hund verscheuchen, »machen Sie, dass Sie wegkommen!«
Sie hörte nicht auf zu wedeln und so stand Alex schließlich auf. Tausend Dinge lagen ihm auf der Zunge, aber er brachte kein Wort heraus. Stattdessen beugte er sich zu Sofia hinunter, gab ihr einen Kuss auf die Wange und lief dann aus dem Zimmer.
»Viel Glück!«, rief sie ihm hinterher.
Jetzt, wo Alex wusste, dass er Celie suchen würde, konnte er es kaum erwarten, aufzubrechen. Aber es wäre total tonto gewesen, im Dunkeln loszuziehen. Er würde sich erst mal ausschlafen und sich dann morgen ganz früh auf den Weg machen.
Es dauerte eine Weile, bis ihm einfiel, wo er einen Platz zum Schlafen finden konnte. Kurz darauf streckte er sich auf einem Obduktionstisch in der Pathologie aus. Hier war es herrlich ruhig, aber seine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Wie standen seine Überlebenschancen in der neuen, brutalen Welt da draußen? Und wie sollte er Celie finden?
Irgendwann schlief er doch ein, und als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte
Weitere Kostenlose Bücher