Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
älteren Herrn, mittelgroß, mit Lippenbart und schütterem grauem Haar, geöffnet wurde. Seine Augen wirkten sehr lebhaft und strahlten förmlich, als er Tante Ines erblickte.
»Guten Tag, gnädige Frau, darf ich Sie zu dieser Türe hereinbitten? Schön, dass Sie mich besuchen. Wen haben wir denn da?«, sprudelte es erfreut aus ihm heraus. Ohne die Antwort abzuwarten, gab er uns die Hand und zog uns ins Haus.
»Das ist meine Nichte Edith, sie ist bei uns zu Besuch und kürzlich erst von Dresden zurückgekommen, sie soll sich bei uns nun etwas erholen«, stellte meine Tante mich vor.
Wir wurden von der Halle in ein sehr geräumiges Zimmer geführt. Ein großer Kamin brannte, davor stand ein großer runder Tisch mit bequemen Sesseln. Ich wagte kaum, mich in diesem Raum umzusehen. Ich spürte die Atmosphäre, die dieser Raum ausstrahlte, und die Bücherwand hinter mir bemerkte ich gleich beim Eintreten. Drei Fenster nach der Straßenseite erhellten den imposanten Raum. Vor dem mittleren Fenster stand ein schwarzer Flügel, ob der alte Herr wohl spielte? Die Bücher zogen mich magisch an, was konnte man hier alles lesen, dazu reichte ein Menschenleben bestimmt nicht! Meine Gedanken beschäftigten mich so sehr, dass ich nicht gleich reagierte, als Dr. Wilhelm Auler einige Fragen an mich stellte. Er wollte von mir wissen, ob ich in Dresden aufgewachsen sei und was ich nun vorhabe in diesem chaotischen Durcheinander.
»Das ist eine gute Frage«, gab ich zur Antwort, »wichtig wäre, etwas Geld zu verdienen, um mich dann später, wenn sich wieder Möglichkeiten bieten, weiter ausbilden zu lassen.«
»Kann denn die junge Dame auch etwas kochen?«
Auf diese Frage war ich nicht gefasst. Da der Hausherr offenbar eine ehrliche Antwort erwartete, gestand ich leise, »wenn man das Kochen nennen will, mit dem wenigen, was zur Verfügung steht, das habe ich gelernt.«
»Wie wäre es«, schlug Dr. Auler vor, »wenn Sie sich ein wenig um diesen Haushalt kümmern würden und mit den spärlichen Lebensmitteln, die mal mehr, mal weniger zur Verfügung stehen, uns beide versorgen? Was auch immer Sie später unternehmen wollen, vielleicht kann ich dann etwas für Sie tun.«
Ich schwieg, fast zu lange, wie es schien, denn Dr. Auler meinte plötzlich, das sei wohl nicht das Richtige für mich?
»Nein, nein, ganz und gar nicht«, entgegnete ich hastig, in Wirklichkeit musste ich den Vorschlag erst einmal auf mich wirken lassen. Um alles in der Welt hätte ich mir doch nicht träumen lassen, dass ich ohne mein Zutun ein solches Angebot bekam. Ich sah Tante Ines an, dankbar, dass sie mich hierher mitgenommen hatte. »Herr Dr. Auler, ich nehme Ihr Angebot an, wann soll ich anfangen?«
Sofort, meinte er strahlend, seine Hausdame habe es vorgezogen, nach Freiburg zurückzugehen, weil sie diese Einsamkeit hier nicht mehr ertrug. Denn das musste auch mir klar sein, es war einsam hier, die Winter waren lang und meist sehr kalt, für einen jungen Menschen gab es kaum eine Abwechslung, Sport ja, aber sonst? Es kamen zwar oft Besucher hierher, auch ehemalige Schüler von Dr. Auler, Besatzungsoffiziere, die hier in den Hotels stationiert waren, auch das sorgte bei interessanten Gesprächen für ein wenig Abwechslung.
»Darf ich mir ab und zu ein Buch ausleihen?«, fragte ich schüchtern. »Wann immer Sie wollen.« Damit war es für mich eine beschlossene Sache.
Tante Ines legte das Gebäck auf einen Teller, dann verabschiedeten wir uns, und leichten Schrittes folgte ich ihr in Richtung Herzogenhorn. Ich bat Tante Ines, mir mehr über Dr. Auler zu erzählen.
»Das ist Deutschlands Flugzeugführer Nr. I, er machte als Erster 1910 in Deutschland den Pilotenschein, gründete in Frankfurt–Niederrad die erste deutsche Flugzeugfabrik und bildete Piloten aus. Das sind seine Schüler, die er erwähnte, auch Prinz Heinrich von Preußen, der Bruder des Kaisers, damals 48 Jahre alt, lernte bei Auler das Fliegen«, klärte sie mich auf. Ich war tief beeindruckt, und schweigend legten wir den Rest des Weges zurück.
Ich schwieg auch den ganzen Abend, bis Tante Ines mich aufrüttelte und meinte, ob ich ganz sicher sei, morgen in das Auler-Haus umsiedeln zu wollen.
»Wie denn, umsiedeln in das Auler-Haus«, vernahm ich die sonore Stimme von Tante Ines’ Schwiegervater Karlo, »was heißt das?«
»Das heißt für mich, dass ich ab morgen bei Dr. Auler arbeiten werde«, stellte ich klar.
»Bist du dir da ganz sicher?« Seine heftige Reaktion
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