Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Bäuerin aus der Gegend kam mit ihrem Einspänner und in ihrem besten Kleid vorgefahren. In einem großen Korb brachte sie meistens Butter, Milch, Gemüse und Fleisch mit. Bohnenkaffee besorgte sie auch. Woher? Bitte nicht fragen! Ab und zu konnte sie auch Zigarren auftreiben. Sicher ließ sich dies der alte Herr einiges kosten, schließlich war es halt teuer, zusätzlich etwas zu ergattern.
Maria hieß dieser Engel, so nannte sie Dr. Auler. Sie tat mir oft sehr leid, bei Wind und Wetter kam sie, je nach Temperatur bedeckte sie ihr Pferdchen mit einer Decke und gab ihm leise Erklärungen. Das Tier kannte genau den Ablauf und wartete stets darauf, ein Stück hart gewordenes Brot von mir zu bekommen. Jedes Mal wurde Maria für ihre Strapaze belohnt, Auler griff zu seiner Gitarre und sang ihr Liebeslieder vor, nicht immer klang es richtig, aber Maria schien es nicht zu stören. Oft machte der alte Herr ihr Komplimente, ich wusste, wie er es meinte, aber Maria, die Glückliche, verstand alles so, wie es gesagt wurde oder wie sie es einfach verstehen wollte. Drei Stunden war sie in der Regel da, ich bereitete in meiner kleinen Küche ein Mittagessen und gönnte Maria den Kunstgenuss. Beim Abschied wurde die Bäuerin immer von dem Hausherrn zu ihrem Gefährt begleitet und mit einem Handkuss verabschiedet. Sichtlich zufrieden und mit einem Lächeln trat sie dann ihren Heimweg an.
Von seiner Familie sprach der alte Herr sehr wenig, er hatte zwei Söhne und zwei Töchter. Ernst, der ältere, war bei Fichtel und Sachs und lebte mit seiner Familie bei Schweinfurt. Sehr oft kam er nicht zu Besuch, doch jedes Mal klagte er über die vielen negativen Veränderungen. Die älteste Tochter, Marika von Westerloh, war mit einem Grafen verheiratet, sie mussten aus Ostpreußen fliehen und lebten mit den drei Kindern aus des Grafen erster Ehe bei Hannover. Marika schrieb oft an ihren Vater, zu Besuch kam auch sie selten.
Klara, die jüngste Tochter, war mit einem Anwalt verheiratet und wohnte in der Nähe von Konstanz. Der jüngste Sohn, August Wilhelm Auler jun., geriet während des Russlandfeldzuges in russische Gefangenschaft. Die Nachricht erhielt Dr. Auler durch das Rote Kreuz, sein Sohn sei nicht verwundet, es ginge ihm den Umständen entsprechend gut.
Von seiner Frau lebte Dr. Auler getrennt; sie bewohnte das Haus in Frankfurt am Main. Nach ihrem Tod übergab Dr. Auler das Haus der Stadt Frankfurt, wo meines Wissens noch heute ein Wissenschaftliches Institut untergebracht ist. Seit vielen Jahren lebte er nun schon auf dem Feldberg, mit seinem Horch fuhr er oft nach Frankfurt, dort stieg er immer im Frankfurter Hof ab. Paris war auch bei ihm beliebt, er sprach fließend Französisch, nicht ganz so gut war sein Englisch. Im provisorisch eingerichteten Schlafzimmer hing ein größeres Porträt von Sarah Bernard, darunter stand in Handschrift: ›Als Erster, der im deutschen Reiche fliegt, hast Du der Erden Schwere leicht besiegt.‹
Das sind die letzten zwei Zeilen. Trotz aller Anstrengung bekomme ich nicht mehr vom Text zusammen, das Datum ist mir auch entfallen.
Als wir einmal über Paris sprachen, stellte ich dem alten Herrn die Frage, auf das Porträt zeigend.
»War sie auch ein Grund für deine Reisen nach Paris?«
»Auch!«
Zweimal im Jahr fuhr ich nach Hause und Großvater fragte: »Hansli, bist du zufrieden, so, wie es jetzt ist?«
»Ach, Opa, ich denke, jeder hat doch ein Ziel vor Augen, du weißt ja, das meine habe ich noch nicht erreicht, aber im Moment ist es gut so.«
»Hauptsache, du bist damit zufrieden«, meinte Opa, »alles braucht seine Zeit.« Während meines Aufenthaltes zu Hause hatte ich eigentlich vor, viel Zeit mit meiner kleinen Schwester Andrea zu verbringen. Doch meistens kommt es anders, als man denkt. Etwas länger schon hatte ich Leibschmerzen, meine Leistendrüsen waren angeschwollen. Meine Angehörigen drängten darauf, mich in Säckingen im Kreiskrankenhaus untersuchen zu lassen. Tante Miriam kannte einen Arzt aus der Zeit, als sie noch beim Roten Kreuz war. Sie nannte mir seinen Namen und meinte, ich solle mich auf sie berufen.
Es klappte auch, nach Abtasten und Blutabnahme wurde vereinbart, dass ich am anderen Morgen um acht Uhr nüchtern erscheinen solle, mein Blinddarm müsste entfernt werden. Das lange Warten im Wartezimmer hatte dazu geführt, dass ich erst um 22.00 Uhr den letzten Zug nach Hause bekam.
Verbindungen mit der Bahn ließen immer noch sehr zu wünschen übrig, oft war es
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