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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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überraschte mich. »Lern du mal erst das Leben kennen, bevor du dich in diese Einsamkeit vergräbst, wer das Leben noch nicht kennt, soll sich dem nicht entziehen«, belehrte mich Karlo. Ich gab ihm ruhig zu verstehen, dass ich mir ganz sicher war, dass, sollte sich mit der Zeit etwas anderes ergeben, ich ja umdisponieren könnte, aber zunächst hatte ich erst einmal eine Anstellung.
    Tante Ines begleitete mich am Morgen bis zum Hebelhof, den Rest des Weges meisterte ich mit meinem Gepäck alleine. Am Abend zuvor schrieb ich an Mutter und meine Großeltern, in meinen Briefen teilte ich ihnen meine Entscheidung mit und bat Mutter gleichzeitig, mir ankommende Post an die neue Adresse umzuleiten. Vom Hebelhof aus wurde die Post in das Tal befördert, wahrscheinlich dauerte es dann noch Tage, bis meine Angehörigen meine neue Adresse erfuhren.
    Es war Mitte Oktober, als ich in das Auler-Haus einzog. Den ersten Tag hatte ich zu tun, mich mit allem ein wenig vertraut zu machen, um festzustellen, wo all die Dinge standen, die für den täglichen Bedarf notwendig waren.
    Keine 100 Meter vom Auler-Haus entfernt stand ein Einfamilienhaus, bewohnt von einer Familie Keller. Herr Keller war Briefträger und Vater von zwei Söhnen. Frau Keller kam regelmäßig in das Auler-Haus, besorgte mit mir die Putzarbeiten und half mir bei der großen Wäsche, die damals noch mit einem Waschbrett geschrubbt wurde. Wenn überraschend Gäste kamen, half sie mir öfters bei den Vorbereitungen für die Mahlzeiten. Es machte mir große Freude, den Tisch mit dem Dresdner Porzellan, der schönen Tischwäsche und dem edlen Besteck zu decken. Doch den Gästen etwas anzubieten, war meist nur möglich, wenn sie selbst etwas mitbrachten. Dann war es an mir, aus allem etwas zu machen, das auch gut schmeckte. Zu meiner Freude gelang mir das auch meistens.
    Alles, was ich in den Jahren meines Aufenthaltes im Haus Auler erlebt habe, ist so umfassend, dass ich es nicht mit wenigen dürren Worten wiedergeben kann. Ein Jahr wollte ich bleiben, daraus wurden vier Jahre, eine Zeit voller Staunen, Erlebnisse, aber auch Sorgen, Entbehrungen und Krankheit. Es war bewundernswert, wie der alte Herr sich den Problemen des Alltags stellte. Die Versorgung mit Lebensmitteln war knapp, das Heizen des großen Hauses war auch nicht mehr möglich. So wurde in der ersten Etage eine kleine Küche eingerichtet, sein komfortables Schlafzimmer musste er gegen ein viel kleineres Zimmer eintauschen, in dem ein Holz–Kohleofen aufgestellt wurde, um auch gleichzeitig das anliegende Bad mitzuheizen. Dieser Raum war nun gleichzeitig auch Dr. Aulers Arbeitszimmer, er war groß genug für einen kleinen Schreibtisch am Fenster, einen runden Tisch in der Mitte und drei Sessel als Sitzgelegenheit. All die andern schönen Räume mit ihren Kostbarkeiten blieben nun unbewohnt. Zweimal in diesen Jahren kamen einige seiner früheren Schüler zu einem Treffen in den Fliegerhorst, ohne ihre Frauen, so war es die Tradition. Sie erzählten sich all die Neuigkeiten und erfuhren, wie es anderen ehemaligen Kameraden inzwischen erging. Unterkunft fanden sie dann immer im Hebelhof. Da ihre Frauen bei dem Treffen nicht dabei sein sollten, ich aber mittendrin, so tauften mich die Herren einfach ›Eduard‹. So war die Tradition gewährleistet. Diesen Namen behielt ich über all die Jahre bei Dr. Aulers Freunden und Bekannten. Für diese Treffen brachten die Herren die Getränke mit, auch einiges an Lebensmitteln, davon profitierten wir zu meiner Freude noch Tage danach. All seine Gäste schätzten meinen Einsatz und die Fürsorge, die ich dem alten Herrn entgegenbrachte. Nachdem ich Dr. Auler während einer Lungenentzündung Tag und Nacht gepflegt hatte, bot er mir das Du an und nannte mich liebevoll ›Mutter‹. Nicht oft genug konnte er den Besuchern erzählen, wie gut ich für ihn sorgte.
    Abends philosophierten wir gerne, ich fand daran Gefallen, las Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Kants Aussprüche, das alles fand ich in den Bücherregalen. Eines Tages begann Wilhelm Auler zu schreiben, er meinte, es sei nun doch an der Zeit für seine Memoiren. Zwar war es mühsam für ihn, seine Gedanken schriftlich festzuhalten, aber der Anfang war gemacht. Das Maschineschreiben war nun von Nutzen, das ich in Dresden gelernt hatte. Seine Schrift war groß und gut leserlich, so tippte ich getreu seine Aufzeichnungen ab.
    Unsere Woche wurde regelmäßig am Dienstag gegen elf Uhr im Rhythmus unterbrochen. Eine

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