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Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
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schwer, einen Termin wahrzunehmen oder man war deshalb einen ganzen Tag unterwegs. Am kommenden Morgen musste ich um sechs Uhr aufbrechen, um pünktlich zur OP anzutreten. Kurt brachte mich mit seinem Fahrrad zum Bahnhof, auf dem Gepäckträger meinen Koffer mit dem Nötigsten. Ich weiß es noch genau, eine Schwester kam in das Wartezimmer, nahm mir den Koffer ab, sagte zu einer anderen Schwester, sie solle diesen in das Zimmer Nr. so und so bringen, und nahm mich mit. Mein Kostüm und alles andere legte ich in einem kleinen Raum ab, dann half man mir, mit einem OP- Hemd bekleidet, auf einen fahrbaren Wagen und fuhr mich in den Operationssaal.
    Auf dem OP- Tisch liegend, richtete sich mein Blick auf die große Lampe, die direkt über mir hing. Als ich die weißen Fliesen an den Wänden und auf dem Fußboden sah, musste ich an einen Schlachthof denken.
    Kurt hatte auf dem Weg zum Bahnhof gemeint, dass ich von der Operation nichts mitbekommen werde, sicher werde die Narkose gleich ihre Wirkung zeigen, ich hoffte, er möge Recht behalten.
    Eine Schwester setzte mir eine Maske auf die Nase und ließ tropfenweise eine Flüssigkeit darauftröpfeln, während ich zählen musste. Mein Gott, wie lange noch? Bis 23, 24, 25 zählte ich noch, dann fiel es mir schon schwer, 26 und 27 zu lispeln.
    Sehr groß war beim Aufwachen dann die Anstrengung, die fremde Umgebung wahrzunehmen.
    Der Versuch, mich aufzusetzen, wurde durch ein »Liegen bleiben!« der Rot-Kreuz-Schwester an meinem Bett unterbunden. Sie betrachtete mich aufmerksam, »schön liegen bleiben«, mahnte sie abermals, »Sie sind am Blinddarm operiert. Sie müssen ja Schlimmes erlebt haben, man musste Sie ordentlich festschnallen.« Ich überlegte, was sie wohl damit gemeint haben könnte, da fiel mir ein, dass ich, ehe ich einschlief, die Bomber im Anflug hörte, wie sie Dresden bombardierten und rundherum alles brannte. Schnell schloss ich wieder die Augen und bildete mir für einen Moment ein, ich sei nach einem Angriff verletzt hier eingeliefert worden.
    Am Nachmittag kam mich meine Mutter besuchen und ich war froh, mit jemandem über meine schlimmen Träume reden zu können. In meinem Zimmer waren noch elf Frauen untergebracht, am Fenster, etwas abseits, lag ein junges Mädchen, etwa 19 Jahre alt. Sie bekam von einem französischen Soldaten Besuch, der energisch von einer Schwester verlangte, sofort den Arzt zu holen.
    »Es ist gleich Visite«, meinte ungerührt die Schwester, die gerade dabei war, einer älteren Frau das Gesicht zu waschen. Ich lag gleich im ersten Bett an der Türe, dadurch bekam ich jeden Luftzug ab. Wenn die Türe geöffnet wurde und das Fenster auch offen stand, kam dann vom Flur her ein heftiger Zug an mein Bett.
    Das sollte meinen Krankenhausaufenthalt wesentlich verlängern. Aber erst einmal freute ich mich über die Post, die Mutter mir brachte, zwei Briefe gleichzeitig, eilig öffnete ich den Umschlag von Friedel aus Dresden. Zum Vorschein kamen zwei Fotos, auf dem einen mein Freund Poldi, der liebe kleine Hund, auf dem zweiten Foto sie selbst mit dem Papagei Cora. Sie schrieb mir überglücklich, dass sie dabei war, das Haus zu verkaufen. Wenn sie alles abgewickelt habe, wolle sie zu ihrem Mann nach Amerika übersiedeln. Franzl sei schon eine Weile bei seinem Vater, er habe bereits sein Chemie-Studium aufgenommen. Meine Freude über diese Nachricht war sehr groß, so hat diese Familie wieder zusammengefunden. Der zweite Brief war von Anton aus Stuttgart. Meinen Brief, in dem ich ihm meine Ankunft bei meinen Angehörigen mitteilte, habe er erhalten, er selbst sei sehr, sehr lange unterwegs gewesen. Nun wolle er es nicht versäumen, mir mitzuteilen, dass er in zwei Monaten heiraten werde. Er habe ein sehr nettes Mädchen kennengelernt, ihr Vater betreibe einen mechanischen Betrieb, und er habe nun die Absicht, nach der Hochzeit bei seinem Schwiegervater zu arbeiten. Gute Neuigkeiten waren dies, ich freute mich riesig darüber. Weniger gute Nachricht bekam ich ein paar Monate später von Hedy aus Niederau. Sie schrieb mir verzweifelt, dass Max an Unterernährung gestorben sei. Für Hedy nichts tun zu können, bedrückte mich lange.
    Die Visite begann am Bett der jungen Frau am Fenster. Die Frauen unter sich tuschelten, dass der Franzose darauf bestand, für diese Patientin ein Einzelzimmer zu bekommen. Der Arzt jedoch erklärte, dass dies im Augenblick nicht möglich sei. Die meisten Zimmer seien überbelegt, die Einzelzimmer würden von der

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