Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Besatzungsbehörde für Angehörige in Anspruch genommen. Im Übrigen, so meinte der Arzt, könne die Patientin bereits am nächsten Tag im Laufe des Vormittags entlassen werden. Die Stimme des Arztes kam mir irgendwie bekannt vor. Eine ähnliche hatte ich wohl schon mal gehört. Aber warum fiel mir gerade diese Stimme so auf? Noch ehe der Tross der Ärzte und Schwestern an mein Bett kam, bat ich Mutter, bei Auler anzurufen, um zu berichten, wie lange ich im Krankenhaus bleiben musste, wie lange ich überhaupt als Arbeitskraft ausfiele, sei im Moment noch nicht abzusehen. Ein Telefonat zu führen, in diesem Fall ein Ferngespräch, dauerte oft sehr lange. Da waren das Fernamt und die Vermittlung, die in erster Linie die Telefonate der Besatzer berücksichtigen mussten. Mutter versprach mir aber fest dranzubleiben, bis es klappte. Während der Visite durfte Mutter an meinem Bett stehen bleiben, so bekam sie mit, wie der Arzt mich ungläubig ansah.
»Wir kennen uns doch?«
»Bei der Verabschiedung im Lazarettzug sagten Sie zu mir, dass man sich immer zweimal im Leben trifft und heute, Herr Dr. Brühne, ist es das zweite Mal.«
»Sie haben es tatsächlich geschafft, alle Widerstände zu überwinden«, lächelte Dr. Brühne und sah auf meine Karteikarte. »Jetzt weiß ich auch Ihren Namen wieder.« Er sah zu meiner Mutter, gab ihr die Hand.
»Sie sind sicher die ältere Schwester?«
»Nein«, gab ich lachend zur Antwort, »das ist meine Mutter, meine Schwester ist erst ein Jahr alt und ich habe sie bei meiner Heimkehr zum ersten Mal gesehen.«
»Na, da gab es wohl einige Überraschungen, wie?«
»Wir waren alle sehr überrascht, als unsere große Tochter nach Hause kam, wir hörten lange Zeit nichts von ihr. Die Erlebnisse und die Strapazen hat sie noch nicht überwunden«, sagte Mutter besorgt.
»Ob sie das alles überhaupt jemals vergessen kann«, meinte Dr. Brühne nachdenklich. Als Mutter sich von mir verabschiedete, äußerte sie beruhigt, sie wisse mich hier in guten Händen. Übermorgen wolle sie wieder nach mir sehen und hoffe, mir vom Feldberg eine Nachricht bringen zu können.
In der Nacht wurde es sehr laut in dem Krankenzimmer und man sah sich gezwungen, eine schwerkranke Patientin für die Nacht in das Badezimmer zu fahren, damit sie dort versorgt werden konnte. Es sollte in dem ohnehin schon überfüllten Raum nicht noch unruhiger werden.
Als Mutter zwei Tage später wiederkam, hustete ich bereits stark, während der Nacht wurde es immer schlimmer und ich bekam Fieber. Sie brachte mir aber wie versprochen eine Nachricht vom Feldberg mit. Dr. Auler versprach meiner Mutter, nachdem er die Adresse des Krankenhauses und den Namen des behandelnden Arztes von ihr erfahren hatte, sich darum zu kümmern, dass ich gut versorgt würde, außerdem wies er meine Mutter an, mich als Privatpatientin anzumelden, somit sei auch gewährleistet, dass man mich in ein Zweibettzimmer verlegte. Meine Genesung erforderte einen Aufenthalt von zwölf Wochen in diesem Krankenhaus. Den Blinddarm zu entfernen, war vorgesehen gewesen, aber dann gab es plötzlich Komplikationen. Eine Lungenentzündung wurde festgestellt, Dr. Brühne kam täglich und überzeugte sich, dass seine Anordnungen befolgt wurden. Nach etwa zwei Wochen wurde ich in ein Einzelzimmer verlegt. Ich war sehr erschöpft und deshalb sehr dankbar für diese Bevorzugung. Zwar konnte ich erahnen, wer der Organisator war, aber ich fragte nicht nach, um nicht unnötig Staub aufzuwirbeln. Eine große Überraschung erlebte ich eines Morgens, als ich in den Röntgenraum gefahren wurde. Eine junge, blonde Frau war dabei, in dem langen Flur den Fußboden zu wischen. Sie sah einmal kurz auf, arbeitete weiter, doch plötzlich hielt sie inne und rief: »Sag mal, Edith, bist du es wirklich?«
»Mein Gott, Gertrud!«, mehr zu sagen, war ich nicht imstande.
»Was machst du denn hier?«
»Das ist aber eine Frage«, fuhr ihr die Schwester heftig in die Parade, »wie Sie sehen, ist sie eine Patientin.« Ich hielt Gertrud die Hand hin, während die Schwester mich weiter schob.
»Besuch mich, Gertrud, im ersten Stock, Zimmer Nr. 112, ich freue mich schon auf dich!«
»Mach ich doch ganz bestimmt.«
Gertrud hielt Wort, schon am anderen Tag kam sie in ihrer Mittagspause. Da ich nun ein Einzelzimmer hatte, war die Besuchszeit sehr ausgedehnt und wir konnten ungestört plaudern. Doch die Stationsschwester passte scheinbar auf, denn schon nach einer halben Stunde bat sie Gertrud
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