Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Schwöbeli gern gesehen. Es gab aber nur solche Arbeiten, die von den Schweizern nicht gerne selbst übernommen wurden. Tante Nina bot mir an, bei ihr zu wohnen, Onkel Stephan war zu Kriegsende in russische Gefangenschaft geraten. Das Alleinsein fiel ihr daher sehr schwer. Ich fand es eine tolle Lösung für uns beide, Tante Nina tat auch alles für mich, immer wieder betonte sie, dass ich doch wie ihre kleine Schwester sei. Um eine Arbeit zu finden, ging ich jeweils am Mittwoch und am Samstag über die Rheinbrücke und besorgte mir Zeitungen mit Stellenanzeigen. Ich hatte tatsächlich Glück, obwohl die Saison längst begonnen hatte, bekam ich in einem Kurhotel die Stelle einer Personalköchin. Arbeitsbeginn früh um sechs Uhr, von 14.00 – 16.00 Uhr waren zwei Freistunden, dann ging es aber rund, oft bis Mitternacht. Zu meinen Aufgaben kam hinzu, dass ich dem Küchenchef und dem Patissier helfen musste. Nach zwei Wochen Einarbeitung fiel der Küchenchef für fast zwei Wochen aus, er hatte sich mit einem Messer beim Fleischauslösen sehr verletzt. Jetzt aber war Not am Mann, eine Vertretung zu finden während der Saison, war völlig aussichtslos.
»Was machen wir jetzt?«, meinte der Patissier zum Hotelchef.
»Ja, was machen wir da«, meinte dieser gedehnt, »das ist ganz einfach, da müsst ihr beide eben den Laden schmeißen.« Mit ›ihr beide‹ meinte der Hotelier den Patissier und mich. Das Hotel war ausgebucht, die eigentliche Hochsaison stand an. Das meiste Personal waren Italiener, im Service arbeiteten zwei Österreicherinnen, ein Berliner als Oberkellner. Der Patissier war aus Bern, er verstand es, alles mit Humor zu nehmen. Das Küchenmädchen Alice half mir beim Kochen, sie war aus Italien und wusste genau, was ihre Landsleute gerne aßen. Sie übernahm nun das Kochen für das Personal, so hofften wir nun, alles zu bewältigen. Und wir schafften es tatsächlich, Hand in Hand arbeiteten wir drei, als sei es nicht das erste Mal. Großes Lob kam auch von den Gästen, ich bekam für diese Vertretung genau 30,-- Schweizer Franken mehr. Aber es machte uns Spaß, nur wurde es dann selbstverständlich, dass ich an den freien Tagen des Küchenchefs für ihn einsprang.
Nun war August an der Reihe, auch hin und wieder an meinem freien Wochenende zu mir zu fahren. Er konnte dann an diesen Tagen bei Tante Nina wohnen. Mutter kochte für uns an den Sonntagen mit, Tante Nina war auch immer mit dabei. Meine kleine Schwester war inzwischen fast fünf Jahre alt und sehr selbstständig. Sie stellte Fragen über Fragen, wenn sie glaubte, die Antwort sei falsch, dann schaute sie einen von der Seite an.
»Bist du dir da ganz sicher?« So wollte sie immer mehr von August wissen, vor allem musste er ihr viel über seinen Vater erzählen.
Über Dr. Brühne erfuhr ich regelmäßig, wie es dem alten Herrn ging.
»Mach dir nicht so viele Sorgen«, meinte er eines Tages, »er ist gesund und kommt, so wie es ist, zurecht.«
Ende Oktober ging die Saison zu Ende. Das Hotel blieb dann bis Anfang April geschlossen, das große Heimreisen begann. Der Hotelier kam eines Morgens in die Küche und meinte zu mir, er wolle etwas mit mir besprechen, wenn ich es zeitlich einrichten könne, solle ich in sein Büro kommen. »Na«, meinte Charlie, der Patissier, »will er dir das Fell über die Ohren ziehen?«
»Ich hoffe nicht«, überlegte ich besorgt, »aber über die nächste Saison wird er bestimmt noch nicht sprechen wollen.« Ich beeilte mich, um der Spannung ein Ende zu machen. Im Büro war Hochbetrieb, ich wollte wieder in die Küche zurück, als der Hoteldirektor mir nachrief: »Ädith«, so hörte sich in dem Dialekt mein Name an, »hiergeblieben!« Ich machte kehrt und sah ihn unsicher an. Es dauerte nicht sehr lange und das Büro war leer. »Setzen Sie sich, ich mache es kurz, über Einzelheiten können wir später reden. Haben Sie schon etwas Neues für den Winter?«, fragte er direkt heraus. Ich verneinte.
»Dann mache ich Ihnen ein Angebot«, hörte ich ihn sagen. »Würden Sie mir in den Wintermonaten den Haushalt führen?« Eine Tante, von der er das Hotel geerbt hatte, lebte mit einer Gesellschafterin im Haus. Somit wäre für drei Personen zu kochen, dem Hausherrn, Mitte 40 und Junggeselle, seine Umgebung in Ordnung zu halten und an dem freien Nachmittag der Betreuerin die alte Dame ein wenig zu unterhalten, ihr zwischendurch einen Tee zuzubereiten und die Tabletten zu verabreichen. Die alte Dame war an den Rollstuhl
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