Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
mehr gewachsen. Edith hier, Edith dort, es gab Streitigkeiten zwischen dem Ehepaar, weil sie sich nicht einigen konnten, für wen ich nun mehr arbeiten sollte.
Dem machte ich ein Ende, als ich das Angebot der Stadt Olten als Küchenleiterin in einer gehobenen Seniorenresidenz erhielt. Es war eine Erleichterung, all dem Zank um meine Arbeitskraft zu entgehen. Außerdem hoffte ich, dass es bei uns in Deutschland mit Stellenangeboten auch bald besser würde. Mit der Heimleiterin Fräulein Tschamber befreundete ich mich. Sie war Mitte 40 und wir verbrachten viel freie Zeit miteinander. Einige Male lud sie mich ein, an dem freien Wochenende mit ihr zu den Eltern nach Zürich zu fahren. Ganz überraschend gestand sie mir nach zwei Jahren, dass sie sich um eine Stelle in Basel beworben hatte. Dort, in einem Hafen für Schleppkähne, die beladen nach Holland, Belgien und noch weiter schipperten, sei ein Wohnheim für die Kinder der Schiffer, damit diese nicht wochenlang mit ihren Eltern und daher ohne Schule unterwegs sein mussten. Ihr sei nun die Leitung dieses Wohnheimes angeboten worden, ihr Wunsch sei es schon immer gewesen, sich mit Kindern zu beschäftigen, erzählte sie mir voller Freude.
Das war auch für mich und Berta ein Signal zum Aufbruch. Berta Holzer war in Österreich mit sechs weiteren Kindern bei einer Pflegefamilie aufgewachsen. Ihre leibliche Mutter hatte sich nie um sie gekümmert, den Vater kannte sie nicht. Die Beziehung mit einem verheirateten Mann brachte ihr Leben ganz durcheinander. Als Schwesternhelferin arbeitete sie hier auf den Stationen. Auch sie wollte nur noch fort, um anderswo neu zu beginnen. Wir bewarben uns beide in Frankfurt erst einmal bei einer Agentur, die Krankenschwestern, Köchinnen und Haushaltshilfen nach Amerika an Krankenhäuser vermittelte. Für Krankenhausbeschäftigte bestand die Möglichkeit, alle zwei Monate an einem anderen Krankenhaus zu arbeiten. Natürlich dauerten solche Anträge, bis die Antragsteller wussten, ob sie genehmigt wurden. So reichten wir außerdem unsere Unterlagen auf dem Arbeitsamt in Frankfurt ein. Ich bewarb mich als Diätassistentin, Berta als Schwesternhelferin. Nach etwa einem Monat meldete sich ein Krankenhaus in Frankfurt. Wir bekamen einen Vorstellungstermin, mit der Bitte um Nachricht, ob dieser eingehalten werden konnte.
An einem einzigen Tag konnten wir diesen Marathon nicht schaffen, Fräulein Tschamber konnte ich ja nun über das Vorhaben informieren, einen Wechsel hatte ich ihr angekündigt. Berta und ich nahmen drei Tage Urlaub, auf Anraten der Heimleiterin sollten wir den Grund unseres Kurzurlaubes den anderen Angestellten gegenüber besser verschweigen. Bei der Stadtverwaltung sollte dies auf keinen Fall durchsickern, man wusste nie, wie diese reagieren würde, meinte die Heimleiterin.
Eine neue Heimleiterin hatte inzwischen schon alles in Augenschein genommen und sich als künftige Vorgesetzte vorgestellt. Sie war tüchtig in Erklärungen, was sie alles ändern wollte. Das gesamte Personal war schockiert. Berta und ich, das stand nun fest, nahmen den Vorstellungstermin wahr und fuhren nach Frankfurt. Auf dem Rückweg wollten wir noch, soweit uns die Zeit reichte, meine Eltern besuchen, eventuell bei ihnen übernachten. Einen ganzen Tag brauchten wir in Frankfurt, der Termin war um 15.00 Uhr. Nach dem Gespräch mit dem Verwalter hieß es geduldig zu warten, bis der Chefarzt für Innere Zeit für mich hatte. Als Diätassistentin war er in erster Linie mein Vorgesetzter und entschied bei den Personalbesetzungen mit. Einen weiteren Haken hatte diese Vorstellung, die Oberschwester war an diesem Tag nicht im Haus, so gab man uns beim Abschied mit, dass wir umgehend informiert würden, wenn sie Einsicht in unsere Unterlagen genommen hatte. Das alles war nicht gerade aufmunternd. Da wir den ganzen Tag noch nichts gegessen hatten, beschlossen wir, mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof zu fahren, uns nach einem Zug zu erkundigen und möglichst am Bahnhof etwas zu essen. Für einen durchgehenden Zug nach Basel war es bereits zu spät. Übernachten in einem Hotel war für uns bestimmt zu teuer. Eine Pension? Wo würden wir eine finden? Berta erkundigte sich bei der Bahnhofsmission nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Es war möglich, wir wurden in einem großen Raum mit Stockbetten untergebracht, ein Waschbecken stand für die Körperpflege zur Verfügung. An einem Kiosk besorgten wir uns belegte Brötchen und Fanta, alles war wieder gut.
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