Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
Am anderen Morgen bestiegen wir kurz vor acht Uhr einen Eilzug nach Basel. So ging unser Plan doch noch auf, wir konnten bei meinen Eltern übernachten. Beide Dachkämmerchen hatte ich mir inzwischen schon etwas eingerichtet. Ein Schlafsofa, das breit genug war für zwei. Wir schliefen mit unseren Problemen ein, hofften aber im Stillen, dass es für uns beide eine gute Lösung gab. Am anderen Morgen gingen wir über die Grenze und fuhren gegen zehn Uhr vom Schweizer Bahnhof in Richtung Olten.
»Denke daran, Berta, wir waren an diesen Tagen bei meinen Eltern. Außer Fräulein Tschamber weiß niemand etwas von unserem Unternehmen«, ermahnte ich Berta nochmals, die verlegen nickte. Gerade rechtzeitig zum Mittagstisch, wir aßen täglich mit der Heimleitung in einem kleinen separaten Esszimmer, meldeten wir uns zurück. Fräulein Tschamber nahm uns zur Seite und gab uns zu verstehen, dass jemand von unserem Vorhaben gewusst haben musste.
»Die Stadtverwaltung wollte wissen, wann Sie zurück sind, sie will, dass Sie sich heute um 14.00 Uhr bei der Verwaltung melden. Es sieht ganz nach Ärger aus«, vertraute uns die Heimleiterin an. Schweigend verlief die Mahlzeit. Ehe wir uns zum vorgeschriebenen Termin aufmachten, sagte ich zu Berta: »Überlege bitte noch einmal ganz genau, ehe wir vor den Herren antreten müssen, hast du bestimmt niemandem von Frankfurt erzählt?«
»Eigentlich nur den beiden italienischen Zimmermädchen, sie fragten nämlich, ob wir ihnen nicht eine Stelle in Deutschland besorgen könnten.«
»Na, wunderbar«, stöhnte ich ärgerlich, »nun wissen wir wenigstens, woran wir sind.«
»Was glaubst du nun, hat dieser Termin etwas damit zu tun?«, fragte Berta verunsichert.
»Warte es ab, Berta, wir werden es ja bald erfahren.«
Das Ganze dauerte keine zehn Minuten. Der Personalrat saß an seinem Schreibtisch, schob zwei beschriebene Blatt Papier hin und her und begann, ohne uns anzusehen oder uns einen Platz anzubieten, zu argumentieren. Der Stadtverwaltung sei zu Ohren gekommen, dass wir Mitarbeitern angeboten hätten, ihnen eine Stelle in Deutschland zu besorgen. Somit hätten wir Personal abgeworben, ihnen Versprechungen gemacht, obwohl diese an einem Wechsel gar nicht interessiert waren. Berta wollte widersprechen, man gab ihr aber sofort zu verstehen, dass ihre Einwände bestimmt nicht glaubhaft seien und sie besser schweigen und das vorgelegte Schreiben durchlesen solle. Der Inhalt war für uns beide identisch. Aus diesen Gründen sähe sich die Verwaltung genötigt, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Gleichzeitig lag die Abrechnung bis auf den heutigen Tag vor uns. Ohne langes Überlegen oder gar zu widersprechen, unterschrieb ich, steckte alles schön gefaltet in meine Handtasche, drehte mich ohne Gruß auf dem Absatz um und ging hoch erhobenen Hauptes zur Tür hinaus. Berta kam weinend hinter mir her.
»Was mach ich jetzt, was wird nun?«
»Ja, liebe Berta, das hättest du uns ersparen können. Du kanntest die beiden Mädchen, wie konntest du ihnen solche Zusagen machen?«
»Hab ich doch gar nicht, sie haben so gejammert, dass sie hier weg wollen, wenn die Neue kommt, da hab ich nur gesagt, das wollen wir auch, aber dann nach Deutschland.«
»Du siehst, Berta, das war eben zu viel. Wir wollen uns beeilen, dass wir den 16.00 Uhr-Zug ab Olten bekommen, dann müssen wir zu Fuß mit dem Gepäck durch zwei Zollämter, ab Zoll fahren wir mit einem Taxi zu uns nach Hause.«
»Wie denn«, sagte Berta, »soll ich denn mit dir kommen?«
»Wo willst du denn sonst hin, Berta, nimm es also an, dann sehen wir weiter.«
Als wir die elterliche Wohnung betraten, sah Kurt auf unser Gepäck und meinte: »Wie denn, habt ihr auch eine Nachricht bekommen? Mutter ist auf dem Weg zum Postamt, sie wollte dich anrufen, Edith, vielleicht kannst du sie noch einholen.«
»Ich probier es, aber was ist das für eine Nachricht?«, war meine aufgeregte Frage. Kurt gab mir das Telegramm, ich überflog es eilig, übergab es Berta und rannte los. Mutter war gerade dabei, das Gespräch in die Schweiz anzumelden. Da gab der Schalterbeamte zu bedenken, dass er jetzt aber bald Feierabend habe und eine Verbindung könne sehr lange dauern. Als meine Mutter mich kommen sah, verließ sie das Postamt sofort. Eilends gingen wir zurück, auf dem Heimweg erzählte ich Mutter, was geschehen war, wir hätten keinen Tag mehr dableiben dürfen.
»Ist doch alles in Ordnung, ruht euch noch ein wenig aus,
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