Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
sehr und sprach mit Schwester Anna darüber.
»Na, warten wir mal ab, was der Chef heute Mittag sagt, was er unternehmen will. Er wird schon wissen, wie er Ihnen helfen kann.«
Ich wurde abgetastet, abgehorcht, gewogen – und schon wieder zwei Kilo weniger. Nein, es ging nicht anders, ich wurde stationär aufgenommen.
»Ich lege Sie in ein Zweibettzimmer, da liegt schon eine sehr nette junge Frau, da ist sie nicht so alleine und Sie sind es auch nicht. Ich sage jetzt auf Station I den Schwestern Bescheid.«
»Wie bitte, ich soll wegen Magenschmerzen stationär behandelt werden?«, fragte ich ungläubig.
»Anders geht es nicht«, meinte der Arzt, »wir müssen Sie röntgen, den Magen spiegeln und anschließend mit der Behandlung beginnen. Wahrscheinlich handelt es sich um ein Magengeschwür.« Das waren keine schönen Aussichten, dabei waren wir erst ein paar Monate in Frankfurt. Gleich am anderen Morgen ging es los, erst Röntgen, dann den Schlauch schlucken, anschließend gab es Schlaftabletten.
Der Arzt sagte, man wolle mich in einen künstlichen Winterschlaf versetzen, damit ich mich völlig entspannen würde. Am Morgen nüchtern eine Rollkur, dann Wasserhafer und Tee, anschließend wurde ich wieder in den Schlaf versetzt, oft schlief ich bis zum Abend, dann wieder dasselbe: Hafer, Tee, Schlaftabletten. Jeden dritten Tag war Schlauchschlucken angesagt.
So hatte ich die ersten Tage kaum Gelegenheit, mit meiner Bettnachbarin zu sprechen. Ich bekam aber mit, dass sie jeden zweiten Tag eine Bluttransfusion bekam. Am Abend, meist gegen 19 Uhr, kam ihr Mann und blieb immer eine Stunde bei ihr. Ich schlief meist, wenn er kam oder tat zumindest so, um den beiden Gelegenheit zu geben, sich ungestört zu unterhalten. Die beiden gingen so lieb miteinander um, dass ich mir im Stillen wünschte, dies möge bei mir auch einmal so sein. Nach und nach erfuhr ich, dass das Paar zwei Töchter hatte, die seit der Krankheit ihrer Mutter in der Nähe von Kassel bei den Großeltern lebten. Wir zwei Frauen, Cäcilia und ich, hatten uns schnell angefreundet. Wir lachten oft so herzlich, dass die eine oder andere Schwester fragte, ob es für sie auch etwas zu lachen gäbe? Als ich mich eines Tages erkundigte, was der Grund für die Bluttransfusionen sei, meinte Cäcilia, sie habe eine schwere Angina gehabt, das habe ihr wohl das Blut vergiftet. Dasselbe, so erzählte mir Berta, hatte sie auch gehabt und damit ganze sieben Monate im Krankenhaus gelegen. Jeden zweiten Tag habe sie eine Bluttransfusion bekommen. Das war alles sehr einleuchtend.
Zu meinem Geburtstag, Ende November, wurde ich entlassen. Ich wollte eine Woche zu meinen Angehörigen fahren. Beim Verabschieden meinte Cäcilia, wenn ich aus dem Urlaub zurückkäme, solle ich sie doch besuchen. Bis Weihnachten würde sie noch im Krankenhaus bleiben.
»Bestimmt mache ich das, fest versprochen.«
Mein Versprechen löste ich ein, gleich nach meiner Rückkehr. Ehe ich am Morgen meinen Dienst antrat, besuchte ich Cäcilia. Ein bisschen müde wirkte sie, aber ich fühlte, dass sie sich über meinen Besuch freute. Das wiederholte sich täglich. Wenn ich nicht in der Mittagspause zu ihr konnte, besuchte ich sie am Abend, ehe ihr Mann zu Besuch kam. In der Mittagszeit ging ich oft mit ihr ein wenig auf dem Flur auf und ab. Sie meinte, das täte ihr gut. Wir standen gerne eine Weile am Fenster, von dort konnte man das Treiben auf der Straße beobachten, und wir sprachen darüber. Eines Morgens, es war kurz vor Weihnachten, erzählte sie mir freudestrahlend, dass sie entlassen werde. Ihr Mann wollte die Kinder über die Feiertage holen, danach wollten sie erst einmal abwarten. Wenn sie wieder voll bei Kräften sei, sollten die beiden wieder nach Hause kommen. Ich verabschiedete mich von Cäcilia und wünschte ihr mit ihrer Familie das schönste Weihnachtsfest, das es gab. Ich gab ihr mein Wort, sie im neuen Jahr bestimmt einmal zu besuchen, und sagte ihr, dass ich mich jetzt schon darauf freute.
Zu Weihnachten übernahm ich am ersten Feiertag den Dienst. Schwester Anna wollte den Heiligen Abend und den ersten Feiertag bei ihren Angehörigen in Bayern sein. Mir war es recht so. Den Heiligen Abend verbrachten wir dann gemeinsam mit denjenigen, die Dienst hatten. So kam man nicht ins Grübeln. Am zweiten Feiertag wollten Berta und ich in eine katholische Kirche zur Messe gehen.
So waren die Feiertage gut verplant und alles ging wieder seinen gewohnten Gang. Dachten wir. Am zweiten
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