Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
wohnen«, lächelte sie. Mir blieb dadurch ein unnötiges Gespräch mit August erspart. Auf meine Bitte, er möge mir meine Sachen zurückschicken, auch dabei die große Truhe mit der Bettwäsche nicht vergessen, sicherte er das lässig zu. Scheinbar war er ganz froh darüber, dass alles so verlaufen war.
»Ich habe noch eine Bitte an dich«, sagte er fast drohend und legte mir ein mit Maschine geschriebenes Schriftstück hin.
›Erklärung: Hiermit erkläre ich, dass ich keinerlei Ansprüche an meinen Verlobten August Auler stelle, nachdem ich diese Verlobung gelöst habe. Unterschrift.‹
Diese Erklärung war sichtlich schon längere Zeit vorbereitet, ich unterschrieb sie, in der Hoffnung, dass auch August sein Versprechen hielt. Dabei sah ich ihm in die Augen, ich konnte nicht zurückhalten, was nun aus mir hervorsprudelte.
»Warum das alles? Du hast mich nur benutzt, um dich wieder zu fangen und über Wasser zu halten.« Ich konnte es einfach nicht begreifen.
Fast drei Jahre waren inzwischen vergangen, von meinen Sachen hatte ich nichts mehr gesehen.
Mutter und ich gingen öfters nach meiner Rückkehr über die Grenze, um Kleinigkeiten einzukaufen. Bei einem solchen Bummel wurde ich angesprochen und erkannte Dr. Schnieder. Gleich trat er mit Fragen an mich heran, aber viel Erfreuliches konnte ich nicht erzählen.
»Sagten Sie mir nicht einmal, Sie könnten Steno und Schreibmaschine schreiben?«, bohrte er weiter.
»Ja, konnte ich, aber nun bin ich außer Übung«, gestand ich.
»Wo arbeiten Sie jetzt? Sie wollen doch sicher nicht mehr in den Hexenkessel Hotel?«, setzte er sein Verhör fort.
»Nein, ich bin erst kürzlich aus Gießen zurückgekommen. Ich werde mich vielleicht hier, über dem Rhein, um eine Stelle bemühen.«
»Das haben wir gleich«, meinte Dr. Schnieder, »kommen Sie doch einfach am kommenden Montag in mein Büro. Sie wissen ja, wo Sie mich finden, dann können wir gleich mal feststellen, wie gut Sie noch in Büroarbeiten sind.«
»Mach ich gerne«, erwiderte ich leichthin, um ihn nur nicht merken zu lassen, wie froh ich über dieses Angebot war.
Meine Eltern mussten umziehen, Gertrud und ihr Bruder Markus hatten das Haus in der Kaminfeger Straße verkauft. Der neue Besitzer plädierte auf Eigenbedarf. Dafür bekamen meine Eltern mitten im Ort eine geräumige Dreizimmerwohnung. Dazu gehörten zwei kleine Mansardenzimmerchen, die ich beziehen konnte. Wieder einmal fing ich bei null an, trotzdem war ich zufrieden, so wie es war. Täglich ging ich über die Grenze an meine Arbeitsstelle. Sehr oft war ich alleine im Büro, nachdem ich mich bei Dr. Schnieder eingearbeitet hatte, überließ er mir einiges mehr an Arbeit. Wenn er nicht am Gericht Termine hatte, nahm er sich Zeit für die Reiterei. Zwischendurch brauchte seine Frau auch meine Hilfe, wenn es ihr so gar nicht gelang, das Essen zuzubereiten. So verliefen meine Arbeitstage voll ausgelastet. Die Sonntage verbrachte ich meist mit meinen Angehörigen oder im Sommer beim Schwimmen in Begleitung meiner kleineren Schwester. Eine feste Beziehung wollte ich nicht, zu tief war ich verletzt worden.
Wie es dem alten Herrn auf dem Berg erging, erfuhr ich durch Dr. Brühne. Aus einem Zeitungsartikel entnahm ich, dass er, es war das Jahr 1953, zu seinem 85. Geburtstag von dem Bundespräsidenten das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen bekommen hatte. Ein Foto von ihm in Postkartengröße, eines seiner von ihm konstruierten Flugzeuge und sein Flugzeugführer-Patent N.I waren auf einer halben Seite abgebildet. Auf dem Foto erschien er so, wie ich ihn kannte, mit seiner Pfeife in der rechten Hand. Der Hemdkragen schien etwas zu weit für ihn, seine Mundwinkel wirkten streng herabgezogen. Der Text darunter allerdings erschütterte mich tief. Er lautete:
›Der bekannte Flugpionier feiert seinen 85. Geburtstag. Zurückgezogen in seinem Heim auf dem Feldberg, haust der alte Herr heute mit seinen Erinnerungen.‹ Es traf mich bis tief in meine Seele.
Eine Kopie des Flugzeugführer-Patents N.I, beschrieben auf der Rückseite: ›Meiner lieben Edith, Feldberg, den 1. Juni 1947, Wilhelm Auler‹, hatte ich immer als Talisman bei mir. Sonst aber konnte ich nichts für ihn tun, nur aus der Ferne mich nach seinem Wohlbefinden erkundigen.
Etwa drei Jahre ging das Hin und Her bei Familie Schnieder. Morgens wurde ich im Büro gebraucht, am Nachmittag nahm mich meist die Hausfrau in Anspruch. Diesen Aufgaben war ich bald nicht
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